Herner Sozialforum

Zum Niedriglohnbereich zählen alle Beschäftigungsverhältnisse, die mit weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes (also 12,27 Euro brutto je Stunde im April 2021) entlohnt werden.

Weiterhin gibt es einen konstant hohen Anteil von Niedriglöhnern. Und Millionen von ihnen würden von einem Mindestlohn von 12 Euro in der Stunde profitieren

Im April 2021 lag der Medianverdienst in der Gesamtwirtschaft (ohne Auszubildende) bei 18,41 Euro brutto je Stunde. Der Median ist der mittlere Wert einer aufsteigend geordneten Datenreihe. Ober- beziehungsweise unterhalb des Medians des Bruttostundenverdienstes liegt jeweils die Hälfte der Beschäftigungsverhältnisse. Die eine Hälfte hat also mehr, die andere weniger als die genannten 18,41 Euro brutto in der Stunde. Der Median ist weniger durch (mögliche) Ausreißereffekte verzerrt als das arithmetische Mittel, was viele normalerweise verwenden, um einen Durchschnitt auszurechnen.

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Armut auf Rekordhoch

Der Paritätische Armutsbericht 2021: „Armut in der Pandemie.“

Laut aktuellem Paritätischen Armutsbericht hat die Armutsquote in Deutschland mit 16,1 Prozent (rechnerisch 13,4 Millionen Menschen) im Pandemie-Jahr 2020 einen neuen Höchststand erreicht. Auch wenn das Ausmaß der Armut nicht proportional zum Wirtschaftseinbruch und dem damit verbundenen Beschäftigungsabbau zunahm, gibt es eindeutige Corona-Verlierer: So sind es laut der Studie des Wohlfahrtsverbandes vor allem die Selbstständigen, unter denen die Einkommensarmut zugenommen hat. Der Verband wirft der Politik armutspolitische Versäumnisse vor und appelliert an die neue Bundesregierung, nicht nur die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen wie Kindergrundsicherung oder Verbesserungen bei Wohngeld und BAFöG zügig und entschlossen anzugehen: Zwingend, so die Forderung, sei darüber hinaus insbesondere eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung.

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Das Schlossgespenst von der „Lohn-Preis-Spirale“

Von Tarif- und anderen Löhnen, einer Inflation, die das Land spaltet und dem Schlossgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“

»Derzeit ist viel die Rede von der angeblichen Gefahr einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale. Das bedeutet, dass Gewerkschaften aufgrund der Preiserhöhungen höhere Löhne einfordern, was wiederum die Inflationsrate nach oben drückt. Doch tatsächlich ist – bis auf die hohe Teuerungsrate – davon noch nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil: So sind die Tarifabschlüsse dieses Jahr besonders niedrig und bedeuteten für die Beschäftigten letztlich Reallohnverluste«, kann man diesem Artikel entnehmen: Inflation frisst Löhne auf. Die Bedeutung dessen, was da gerade vor unseren Augen abläuft, kann man dieser Formulierung entnehmen: »Wegen der hohen Inflation schrumpfen die Tarifgehälter preisbereinigt um 1,4 Prozent – das gab es seit Jahrzehnten nicht«, so Alexander Hagelüken unter der Überschrift Arbeitnehmer verlieren real Einkommen. Die Gewerkschaften haben sich offensichtlich vor dem Hintergrund der Corona-Krise zurückgehalten: »Vor Abzug der Inflation nahmen die Tarifgehälter bundesweit mit 1,7 Prozent geringer zu als in früheren Jahren – zwischen 2012 und 2019 waren die Löhne nominal immer zwischen 2,4 und 3,1 Prozent gewachsen.«

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»Der geplante Bonus für Intensivpflegekräfte wird verschoben. Das Geld ist da, doch die neue Ampel-Regierung kann sich nicht auf die Formalitäten einigen.«

Same procedure as 2020? Der geplante Bonus für Intensivpflegekräfte wird erst einmal verschoben

Man kann derzeit den vielen Berichten in den Medien über die Lage auf vielen Intensivstationen wirklich nicht entkommen. Land unter, Verzweiflung inmitten der vierten Corona-Welle und das in dem Krankenhausbereich, wo es um (Über)Leben oder Tod geht. Auch in den Reihen derjenigen, die den neuen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, wurde das aufgenommen und man hat darauf reagiert: »Es klang gut, was Olaf Scholz versprach: „Für die besonders geforderten Pflegekräfte in den Krankenhäusern und in den Pflegeheimen werden wir eine Bonuszahlung veranlassen.“ Eine Milliarde Euro stehe dafür bereit, so der designierte Kanzler bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages Ende November.« Und nicht nur die Neuen wollen das: »Auch Angela Merkel und die Ministerpräsidenten hatten die Prämie zuvor bereits in Aussicht gestellt – speziell für die Intensivpflege, als Anerkennung ihrer Leistung in der vierten Welle. Der scheidende Gesundheitsminister Jens Spahn hatte „5.000 Euro plus x“ gefordert.« Die tun was.

Oder doch erst einmal nicht? Denn das Zitat stammt aus diesem Artikel von Christiane Hübscher, der so überschrieben ist: Vorerst keine Prämie für Intensivpfleger. Bitte? »Der geplante Bonus für Intensivpflegekräfte wird verschoben. Das Geld ist da, doch die neue Ampel-Regierung kann sich nicht auf die Formalitäten einigen.«

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Der sozialstaatliche Auftrag einer auskömmlichen Alterssicherung ist an den Finanzmärkten schlecht aufgehoben.

Das Ringen um die Rente geht weiter

von Hans Jürgen Urban

HandelsblattMit dem Einstieg in eine zum Teil kapitalgedeckte Altersvorsorge beschreitet die Ampelkoalition einen gefährlichen Weg, schreibe ich in einem Gastkommentar am 1. Dezember 2021 im Handelsblatt.

Ich meine: Der sozialstaatliche Auftrag einer auskömmlichen Alterssicherung ist an den Finanzmärkten schlecht aufgehoben. Die Politik muss ihn zurückholen – als Bringschuld sozialstaatlicher Zukunftsvorsorge. Dazu müssen gesetzliche Rentenversicherung und Umlageverfahren ins Zentrum der Reformbemühungen rücken.

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Anteil der jungen Menschen besonders hoch

OECD-Studie: Immer mehr Deutsche verlieren Anschluss an Mittelschicht

Das Risiko abzusteigen hat in der unteren Mittelschicht stark zugenommen, zeigt eine Studie. Nur drei Länder stehen im OECD-Vergleich noch schlechter da als Deutschland.

Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft einer Studie zufolge deutlich, besonders der untere Rand ist demnach abstiegsgefährdet. 2018 zählten 64 Prozent der Bevölkerung zur mittleren Einkommensgruppe, 1995 waren es noch 70 Prozent. Das geht aus einer Analyse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Bertelsmann Stiftung hervor.

Demnach sind allein von 2014 bis 2017 etwa 22 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter in die untere Einkommensschicht geraten – und waren damit arm oder von Armut bedroht. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich die Entwicklung durch die Pandemie noch verschärft hat. Denn acht Prozent der Menschen mit mittleren Einkommen verloren in den ersten Monaten der Krise bis Januar 2021 ihren Job, wie Berechnungen der Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen.

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Bis zum Jahr 2030 fehlen etwa 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit und 14.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung!

Der Pflegenotstand in Deutschland wird nach neuen Hochrechnungen brisanter als bislang angenommen

Bis zum Jahr 2030 sollen bei konservativen Annahmen mehr als 180.000 Pflegekräfte fehlen, auch weil es mit dann insgesamt rund sechs Millionen Pflegebedürftigen über eine Million Betroffene mehr geben wird als bisher angenommen. Das geht aus dem aktuellen Pflegereport der BARMER hervor – der sich auf die Alten- bzw. Langzeitpflege bezieht. Die Pflege in den Krankenhäusern ist hier nicht berücksichtigt.

Heinz Rothgang und Rolf Müller (2021): BARMER Pflegereport 2021. Wirkungen der Pflegereformen und Zukunftstrends. Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse Band 32, Berlin: BARMER, 2021

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„Unsere Forderung nach einer Erhöhung der Regelsätze auf mindestens 600 Euro steht nach wie vor.”

Inflation auf Rekordhoch: Paritätischer warnt vor realen Kaufkraftverlusten für Grundsicherungsbeziehende und fordert spürbaren Ausgleich

Die geplante Hartz-IV-Regelsatz-Anpassung gleicht Inflation nicht aus und ist „bestenfalls ein schlechter Witz“.
Anlässlich der heute durch das Statistische Bundesamt veröffentlichten Inflationsrate, die mit 5,2 Prozent so hoch wie seit 29 Jahren nicht liegt, bekräftigt der Paritätische Wohlfahrtsverband die Forderung nach einem spürbaren Ausgleich für Beziehende von Grundsicherung und Wohngeld. Die bisher zum 1.1.2022 geplante Hartz-IV-Regelsatz-Anhebung um nicht einmal ein Prozent falle viel zu niedrig aus und komme somit angesichts der aktuellen Preisentwicklung sogar einer Kürzung gleich, kritisiert der Verband. Der Verband fordert den Gesetzgeber auf, umgehend dafür zu sorgen, dass die Fortschreibungsformel für die Regelsätze in der Grundsicherung so angepasst wird, dass Preissteigerungen immer mindestens ausgeglichen werden. Im Wohngeld brauche es zudem eine wirksame Energiekostenpauschale.

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Das Beispiel Sixt kann nur eines bedeuten: Boykott dieser Firma

Von einer erfolgreichen Etappe im Straßenkampf um einen Betriebsrat und einer vielgestaltigen Landschaft betrieblicher Mitbestimmungsverhinderer

»Nach monatelangem Ringen ist es vollzogen: Die Lieferboten haben eine eigene Vertretung beim Startup gewählt. Das Unternehmen erschwerte die Wahl bis zuletzt.« Um wenn geht es hier? Natürlich, um das Unternehmen Gorillas: Die Gorillas haben gewählt: Fahrradkuriere haben jetzt einen eigenen Betriebsrat, so ist der Artikel von Dominik Bardow überschrieben.

Es geht um Gorillas, ein 2020 gegründetes Unternehmen mit Sitz in Berlin, das einen Lieferdienst für Lebensmittel und andere Supermarktwaren in Großstädten betreibt. Dazu gehören eine Online-Bestellplattform, kleine Auslieferungslager in zentralen Lagen und Fahrradkuriere. Die sollen in Berlin sicherstellen, dass der bestellte Einkauf in zehn Minuten an der Haustür des Kunden ist. Und es geht um die Fahrradkuriere, die „Rider“, sowie die „Picker“ in den Lagern, denn die haben in den vergangenen Monaten auf sich aufmerksam gemacht mit „wilden Streikaktionen“ sowie der Absicht, einen Betriebsrat zu gründen (dazu ausführlicher die Beiträge  Wenn dein starkes Rad es will, stehen viele Rider still. Die Wiederauferstehung „wilder Streiks“ und dann auch noch beim Lebensmittel-Lieferdienst „Gorillas“? vom 12. Juni 2021 sowie zuletzt Neues aus der Lieferbotengesellschaft: Die Gorillas Worker wollen einen Betriebsrat und bekommen Hilfestellung vom Arbeitsgericht. Und in eine Branche mit Fragezeichen fließen weiter Milliarden-Wettbeträge von Investoren vom 17. November 2021).

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Der Gesetzgeber hat … Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht.

Die Sicherung des Existenzminimums durch einen zeitnahen Inflationsausgleich in der Grundsicherung?

Vom Bundesverfassungsgericht auf die Antragsebene im Bundestag

Der Gesetzgeber hat … Vorkehrungen zu treffen, auf Änderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel Preissteigerungen oder Erhöhungen von Verbrauchsteuern, zeitnah zu reagieren, um zu jeder Zeit die Erfüllung des aktuellen Bedarfs sicherzustellen, insbesondere wenn er wie in § 20 Abs. 2 SGB II einen Festbetrag vorsieht.
(BVerfG 09.02.2010 – 1 BvL 1/09 ua, Rn. 140)

Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.
(BVerfG 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 ua, Rn. 144)

Haben wir mittlerweile eine Preissteigerung erreicht, die dem entspricht, was das Bundesverfassungsgericht bewogen hat, in seinen Entscheidungen über die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit des Verfahrens zur Anpassung der Regelbedarfe in der Grundsicherung (nach SGB II und XII) einen expliziten Handlungsauftrag an den Gesetzgeber zu verankern, der verhindern soll, dass eine Anpassung der Leistungen zur Sicherstellung des Existenzminimums auf die lange Bank geschoben wird? Das werden sicher einige bejahen (andere hingegen werden in eine semantische Exegese der Begrifflichkeit „extreme Preissteigerungen“ einsteigen).

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