Herner Sozialforum

Insgesamt hat sich das Vermögen des reichsten Prozents in den vergangenen vier Jahrzehnten fast verdreifacht. Währenddessen konnte die ärmere Hälfte der Bevölkerung fast kein Vermögen aufbauen.

Soziale Ungleichheit: Die Vermögensexplosion

Seit den 70ern hat die untere Hälfte der deutschen Gesellschaft kaum Vermögen aufgebaut. Unsere Grafik zeigt, wie sich dagegen der Reichtum an der Spitze entwickelt hat.

Das ist der erste Teil der Serie „Oben und unten“ aus unserem Ressort X. Bis zur Bundestagswahl veröffentlichen wir jede Woche eine Grafik, die auf einen Blick zeigt, wie sich die ökonomische Ungleichheit in Deutschland entwickelt hat.

In nur fünf Jahren, zwischen 2013 und 2018, sind die Vermögen der reichsten Haushalte in Deutschland um fast die Hälfte gewachsen – auf durchschnittlich 11 Millionen Euro pro Haushalt. Das zeigen Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) für ZEIT ONLINE. „Wir sehen beim Vermögen am oberen Rand der Gesellschaft extreme Zuwächse“, sagt Charlotte Bartels vom DIW. Insgesamt hat sich das Vermögen des reichsten Prozents in den vergangenen vier Jahrzehnten fast verdreifacht. Währenddessen konnte die ärmere Hälfte der Bevölkerung fast kein Vermögen aufbauen.

Dass sich die Vermögen in Deutschland ungleich entwickeln, wissen Forscherinnen und Forscher schon länger. Bisher nahmen sie jedoch vor allem Größen wie den Anteil verschiedener Gruppen am Gesamtvermögen oder den sogenannte Gini-Koeffizienten in den Blick. Der gibt an, wie ungleich das Vermögen in Deutschland verteilt ist, auf einer Skala von 0 (alle besitzen gleich viel) bis 1 (einer besitzt alles).

Für ZEIT ONLINE hat die Wirtschaftsforscherin Charlotte Bartels die Daten einer gemeinsamen Studie mit den Ökonomen Moritz Schularick und Thilo Albers zur Verfügung gestellt und zusätzliche Berechnungen angestellt. Dadurch lässt sich der Vermögenszuwachs des reichsten Prozents nicht nur in relativen, sondern auch in absoluten Zahlen ausdrücken. Man kann also ganz konkret sagen, um wie viel Euro ein Haushalt aus dieser Gruppe im Schnitt reicher geworden ist. Anhand unserer animierten Grafik lässt sich erstmals auf einen Blick erfassen, wie sich das Vermögen der unterschiedlichen Gruppen in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat.

„Unser Land ist im Durchschnitt reicher geworden“, sagt Charlotte Bartels. „Aber der wachsende Reichtum kommt bei der unteren Hälfte nicht an.“

In der Grafik zum Beginn dieses Artikels ganz rechts ist das reichste Prozent der Deutschen zu sehen. Dazu gehören all jene Haushalte, die mehr als 3,6 Millionen Euro besitzen. Ihnen gehören vor allem Unternehmen und Immobilien – und deren Preise haben stark angezogen. „Sie sind durch die gestiegenen Preisen von Immobilien und Unternehmen noch einmal deutlich reicher geworden“, sagt Charlotte Bartels. Das durchschnittliche Vermögen in dieser Gruppe ist zwischen 2013 und 2018 um rund 3,5 Millionen Euro gestiegen. Das entspricht einem Anstieg um fast die Hälfte. Der Zuwachs des Unternehmensvermögen betrug rund zwei Millionen Euro, bei den Immobilien waren es rund 1,5 Millionen Euro.

Zur zweitreichsten Gruppe, eine Säule weiter links, zählen Haushalte mit einem Vermögen zwischen 850.000 und 3,6 Millionen Euro. Sie gehören zu den reichsten zehn Prozent, nicht aber zum reichsten Prozent der Gesellschaft. Zwischen 2013 und 2018 stieg ihr Vermögen von durchschnittlich einer Million Euro auf 1,4 Millionen Euro. Sie konnten vor allem vom Immobilienboom profitieren.

Ganz links ist die ärmere Hälfte der Bevölkerung zu sehen. Dazu gehören all jene Haushalte mit einem Vermögen von weniger als 120.000 Euro. Sie konnten weder vom Immobilien- noch vom Börsenboom profitieren, denn sie besitzen kaum Aktien oder Immobilien. „Das ist ein echtes Problem“, sagt Charlotte Bartels, „denn diese Menschen haben nicht die Mittel, um Krisen wie die Corona-Pandemie abzufedern und gleichzeitig noch privat für ihr Alter vorzusorgen.“ Außerdem sind ihre Einkommen in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht ausreichend gewachsen, um größere Summen aufs Sparbuch zu legen.

Und die Mittelschicht, in der Grafik die zweite Säule von links? Auch sie hat durchaus vom Immobilienboom profitiert. Ihr durchschnittliches Vermögen wuchs zwischen 2013 und 2018 von 283.000 Euro auf 390.000 Euro. „Das sind auf dem Papier zwar erhebliche Zuwächse“, sagt Charlotte Bartels. „Für die Betroffenen fühlt sich das aber oft gar nicht so an, weil quasi ihr gesamtes Vermögen im eigenen Häuschen steckt, das man nicht von heute auf morgen verkaufen will und kann.“ Auch hier sind die wirklich Reichen im Vorteil, bei denen es nicht um das eigene Häuschen, sondern um Investitionen in lukrative Immobilien geht. Denn bei fallenden Immobilienpreisen kann jemand, dessen Geld nicht im selbst bewohnten Haus steckt, viel einfacher umschichten.

Wenn man die Daten auf eine einzige Aussage bringt, ist es diese: In Deutschland werden vor allem diejenigen reicher, die schon reich sind. „Anders als in den Nachkriegsjahren, als noch breite Teile der Bevölkerung profitieren konnten, erleben wir spätestens seit der Wiedervereinigungen eine starke Polarisierung bei den Vermögen“, sagt Bartels. Und dieser Trend werde sich, wenn die Politik nicht gegensteuere, wohl noch weiter verschärfen.

Dieser Artikel ist Teil der vierteiligen Serie „Oben und unten“ aus unserem Ressort X. Eine Auswahl weiterer Schwerpunkte finden Sie hier.

Idee und Text: Felix Rohrbeck
Redaktion und Redigatur: Philipp Daum, Philip Faigle
Visualisierung und Programmierung: Carla Grefe-Huge, Christopher Pietsch, Julius Tröger

In keinem anderen Land hängt der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland.

Soziale Spaltung

Bildungsmisere in BRD

Studie des DGB: Ungleichheit im Schulsystem verschärft sich. Chancen für Aufstieg von Arbeiterkindern weiter gesunken
Von Bernd Müller  Junge Welt  3. September 2021

Das deutsche Bildungssystem ist nicht bekannt dafür, allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen zu geben. Ganz im Gegenteil: In kaum einem anderen OECD-Land hängt Bildung so stark vom sozialen Status der Eltern ab wie in Deutschland. Als die PISA-Studie der OECD im Jahr 2001 zu diesem Ergebnis kam, war das Staunen groß. Bis heute hat sich daran nichts geändert, stellt nun eine neue Analyse im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) fest.

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Altenpflege: Es gibt schlichtweg keinen halbwegs relevanten Tarifvertrag in diesem tariffreien Gelände.

Wenn private Pflege-Unternehmen die Altenpflege frei von einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag halten wollen und vor Gericht ziehen, dann gibt es auch ein Urteil. In diesem Fall für die Gewerkschaft

Man muss sie erneut in Erinnerung rufen – die schmerzhafte Erfahrung, dass es nichts wird mit einem allgemeinverbindlich erklärten flächendeckenden Tarifvertrag für die Altenpflege. Dabei war über längere Zeit alles vorbereitet worden, um das Problem, dass eine „normale“ Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags aufgrund des Widerstands der Arbeitgeber-Seite in der Altenpflege nicht darstellbar war, mit einem „Umgehungstrick“ lösen zu können. Der angedachten Trick war die Allgemeinverbindlichkeit nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Eine Rechtsverordnung auf Basis des Entsendegesetzes wäre in der Tat eine Alternative zum Weg über das Tarifvertragsgesetz. Der Vorteil aus Sicht der Gewerkschaft: Das Arbeitsministerium könnte die Allgemeinverbindlicherklärung auch gegen den Willen der Arbeitgeber durchsetzen.

So hatte man sich das gedacht. Der Rückgriff auf das AEntG wäre mit einigen juristischen Verrenkungen vielleicht möglich (gewesen). Aber spätestens dann stellt sich die im Fall der Altenpflege eben nicht triviale Frage: Welcher Tarifvertrag denn? Es gibt schlichtweg keinen halbwegs relevanten Tarifvertrag in diesem tariffreien Gelände (und zugleich aufgrund des „dritten Weges“: In den kirchlich gebundenen Einrichtungen und Diensten gibt es zwar Arbeitvertragsrichtlinien, aber eben keine klassischen Tarifverträge, die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden).

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60 Prozent der Anspruchsberechtigten nehmen die „Grundsicherung“ im Alter nicht in Anspruch.

Renten und Altersarmut

Armut hat viele Gesichter und viele Gründe. Es gibt aber wenige grundsätzliche Zusammenhänge, die Armut in einer Gesellschaft begründen. Entscheidend sind vor allem die Regeln, mit denen der gesellschaftliche Reichtum verteilt wird.

Die Verteilungsregeln befinden sich in Tarifverträgen und in Gesetzen. Vor allem die Sozialgesetze beeinflussen die Armutszahlen und die Veränderung der Armut von gesellschaftlichen Gruppierungen. Knapp 60 Prozent der Erwerbslosen, rund 43 Prozent der Alleinerziehenden und mehr als 35 Prozent der Migranten sind besonders von Armut betroffen. Der Anteil der über 65jährigen Menschen, die in Altersarmut leben, scheint da mit 18 Prozent nicht so erheblich. Der erste Blick täuscht jedoch gewaltig. In keiner anderen Bevölkerungsgruppe wächst die Armut auch nur annähernd so schnell wie bei den Alten. Die Rentnerinnen und Rentner trifft es am härtesten.

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Hartz IV: Für Kinder unter 14 soll um um zwei 2 Euro angehoben werden. Das ist der „Kampf“ von SPD/CDU/CSU gegen die Kinderarmut. Schande

Hartz IV:

Paritätischer kritisiert geplante Anpassung der Regelsätze um drei Euro als “lächerlich gering” und warnt vor realen Kaufkraftverlusten

Der Hartz IV Regelsatz soll 2022 um lediglich drei Euro angehoben werden. Das gleicht nicht einmal die Inflation aus, kritisiert der Paritätische scharf.
Die für 2022 angekündigte Hartz IV-Regelsatz-Erhöhung um zwei Euro für Kinder unter 14 und drei Euro für Jugendliche und Erwachsene kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband als “blanken Hohn”, viel zu niedrig und bitter für alle Betroffenen.

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Der größte prozentuale Anstieg im Vorjahresvergleich war mit +14,0 % auf 4,3 Milliarden Euro bei der Hilfe zur Pflege zu verzeichnen.

Sozialhilfeausgaben im Jahr 2020 um 6,5 % gestiegen

Pressemitteilung Nr. 392 vom 19. August 2021

WIESBADEN – Im Jahr 2020 haben die Sozialhilfeträger in Deutschland 14,4 Milliarden Euro netto für Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgegeben. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, stiegen die Ausgaben damit um 6,5 % gegenüber dem Vorjahr. In den Ergebnissen nicht enthalten sind die Ausgaben für Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, da diese zum 1. Januar 2020 in das SGB IX überführt wurden.

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»Die wachsende Zahl von armen Rentnerinnen und Rentnern sowie von Menschen, die nicht genügend Geld für Pflegedienstleistungen haben, ist allgemein bekannt. Die Bundesregierung lässt diese Menschen dennoch seit vielen Jahren im Regen stehen.«

Niedriglohn und Tariflosigkeit (junge welt, 20.8.2021)

Armut lässt Sozialausgaben steigen

Vorwiegend alte und pflegebedürftige Menschen sind auf Hilfe angewiesen
Auch im Alter nicht vorbei: Immer mehr arme Rentner müssen Anträge auf staatliche Stütze stellen

Die Ausgaben für Sozialhilfe sind im vergangenen Jahr um 6,5 Prozent gestiegen. Die Sozialhilfeträger gaben 14,4 Milliarden Euro netto für Leistungen nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs aus, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden mitteilte.

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Studie zeigt: Ärmere Rentnerinnen und Rentner sterben fünf Jahre früher als reichere. Verband warnt vor Verschärfung sozialer Spaltung

Rentensystem

Doppelt benachteiligt

Studie zeigt: Ärmere Rentnerinnen und Rentner sterben fünf Jahre früher als reichere. Verband warnt vor Verschärfung sozialer Spaltung
Von Raphaël Schmeller
Ungerechtes System: Geringverdiener sind im Alter deutlich schlechter gestellt als Menschen mit höheren Einkommen

Deutschland ist eine Klassengesellschaft. Das ist keine von der jungen Welt fabulierte Geschichte, sondern ein immer wieder von Forschungseinrichtungen festgestellter Sachverhalt. Auch eine vom Sozialverband VdK in Auftrag gegebenen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zum ­Thema Rente und Lebenserwartung ab 65, die am Montag veröffentlicht wurde, bestätigt das. Denn die Studienautoren Peter Haan und Maximilian Schaller haben in ihrer Untersuchung eine enorme »Lebenserwartungsdiskrepanz« je nach Beschäftigungsart, Einkommen und beruflicher Belastung feststellen können.

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In sechs Bundesländern und in fast 100 Landkreisen und kreisfreien Städten waren im Jahr 2020 die Kosten für Wohnen und Heizen zu hoch, als dass sie sich von einem Vollzeitjob auf Mindestlohnbasis decken lassen.

Neue Zahlen der Bundesregierung

In vielen Regionen reicht der Mindestlohn nicht zum Leben

Menschen, die Mindestlohn verdienen, können sich oft ihre Wohn- und Heizkosten nicht leisten. Das Problem gibt es vor allem in Westdeutschland und den Städten.

Tagesspiegel, 13.8.2021

Das Englische hat einen eingängigen Begriff dafür: „working poor“. So werden Menschen bezeichnet, die trotz Arbeit arm sind. Das Problem gibt es auch in Deutschland. In vielen Landesteilen reicht der gesetzliche Mindestlohn nicht zum Leben.

 

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»Die Differenz zwischen tatsächlichen und anerkannten laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung belief sich im gesamten Jahr 2020 in Deutschland auf 474 Millionen Euro.«

Die „Wohnkostenlücke“ im Hartz IV-System

Seit Jahren wird hier immer wieder über das Wohnkostenproblem im Grundsicherungssystem berichtet – vgl. nur als ein Beispiel den Beitrag Und wieder einmal grüßt täglich das Murmeltier: Hartz IV und die Wohnungsfrage vom 20. Dezember 2015. Dort wurde darauf hingewiesen, dass es neben dem „Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts“ nach § 20 SGB II als zweite Säule die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung gibt. Wobei man immer genau lesen muss, denn im hier relevanten § 22 SGB II heißt es im ersten Satz: »Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.« In dem Beitrag aus dem Jahr 2015 wurde genau an dieser Stelle angemerkt: »Und da fängt der Ärger an, denn es handelt sich bei der Formulierung „angemessen“ um einen der im Sozialrecht weit verbreiteten unbestimmten Rechtsbegriffe, deren Auslegung und Infragestellung Lohn und Brot für einen ganzen Zweig der Juristerei sicherzustellen vermag.«

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