Starke-Familien-Gesetz: „Was da abgefeiert wird, ist eine peinliche Veranstaltung mit kleinlichen Verbesserungen.“ (Ulrich Schneider, DPWV)

Einkommensungleichheit

Arme Kinder werden zunehmend abgehängt

  • Der Paritätische Gesamtverband hat Daten zu den Einkommen und Ausgaben von Familien in Deutschland ausgewertet.
  • Die einkommensstärksten zehn Prozent der Eltern können demnach mehr als drei Mal so viel Geld für ihr Kind ausgeben wie die untersten zehn Prozent.
  • Die Situation armer Familien hält der Gesamtverband für prekär. Er fordert eine eigenständige Kindergrundsicherung außerhalb des Hartz-IV-Systems.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Das dürften sie nicht gerne hören im Bundessozial- und im -familienministerium. „Das Bildungs- und Teilhabepaket ist völlig gefloppt“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, am Donnerstag in Berlin, „und daran ändert auch das Starke-Familien-Gesetz nichts.“ Was da „abgefeiert“ werde, sei „eine peinliche Veranstaltung“ mit „kleinlichen Verbesserungen“.

Das Starke-Familien-Gesetz, das Schneider bei der Vorstellung einer neuen Auswertung seines Verbands zur Kinderarmut so vehement kritisierte, ist ein Gemeinschaftsprojekt von Sozialminister Hubertus Heil und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD). Zu dem Paket gehören Verbesserungen beim Kinderzuschlag für Familien mit kleinen Einkommen, aber auch mehr Geld für den Schulstart und für Nachhilfeunterricht, ein kostenloses Mittagessen in den Schulen und ein ebenfalls kostenloses Ticket für Bus und Bahn. Kinder aus armen Familien sollen auf diese Weise besser als bisher mithalten können, und ihre Eltern sollen nicht ständig jede einzelne Leistung wieder neu beantragen müssen.

Der Paritätische Gesamtverband allerdings hält die Situation armer Familien in Deutschland für derart prekär, dass er deutlich weitreichendere Reformen fordert – allen voran eine eigenständige Kindergrundsicherung außerhalb des Hartz-IV-Systems mit einem Kindergeld von mehr als 600 Euro je Kind, das abschmilzt, je mehr die Eltern verdienen.

Die Spannweiten sind groß

Seine Bewertung stützt der Sozialverband auf eine Auswertung der sogenannten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, eine penible Erhebung der Einnahmen und Ausgaben von 60 000 Haushalten. Die allerdings findet nur alle fünf Jahre statt; danach dauert die Auswertung noch mal einige Jahre. Die Untersuchung, die der Paritätische Gesamtverband am Donnerstag vorgestellt hat, beruht deshalb auf den Daten des Jahres 2013.

Demnach hatten die einkommensstärksten zehn Prozent aller Paare mit einem Kind monatlich 8642 Euro zur Verfügung. Im Gesamtdurchschnitt lagen die Einkommen bei 3762 Euro. Die untersten zehn Prozent dagegen kamen nur auf 1550 Euro, denen aber Konsumausgaben von 1685 Euro gegenüberstanden. „Wahrscheinlich eine der Erklärungen dafür, warum wir inzwischen mehr als sechs Millionen überschuldete Erwachsene haben“, sagte Schneider. Er betonte, dass Sozialtransfers und Vergünstigungen für arme Familien bei diesen Berechnungen schon berücksichtigt seien.

Das Einkommen der Eltern beeinflusst auch die Möglichkeiten der Familien, ihren Kindern außerhalb von Nahrung und Wohnung etwas zu bieten. Während die obersten zehn Prozent der Eltern den Daten nach für ihr Kind im Schnitt 1200 Euro im Monat ausgaben, waren es bei den ärmsten zehn Prozent nur 364 Euro. 35 Euro konnten Letztere in Freizeit, Unterhaltung und Kultur für ihre Kinder investieren, die reichsten Familien dagegen 184 Euro. Übersetzen kann man diesen Posten wohl mit Kindertheater, Kino, Zoo und Sportverein. Auch beim Posten Bildung sind die Unterschiede groß: Die Spannweite reicht von 47 Euro für die Kinder der besonders gut verdienenden Eltern bis zu zwölf Euro für die ärmsten zehn Prozent.

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