Inanspruchnahme von „Grundsicherung“: Anstieg in NRW um 82 % in den vergangenen 13 Jahren

„Grundsicherung“nach SGB XII

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Empfänger-Quoten [1] 2005 – 2018

Quelle: Portal Sozialpolitik

Berlin, August 2019 | Im Dezember 2016 erhielten bundesweit 1.078.521 Personen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (EM) nach SGB XII (Kapitel 4). Bezogen auf die erwachsene Wohnbevölkerung entsprach dies einer Grundsicherungsquote von 1,55 Prozent. Zum Zeitpunkt der Integration des Grundsicherungsgesetzes (GSiG) von 2003 in das SGB XII im Jahr 2005 betrug die Quote 0,93 Prozent.

Die drei Stadt-Staaten Hamburg (2,91 Prozent), Bremen (2,77 Prozent) und Berlin (2,70 Prozent) weisen die höchsten Empfängerquoten aus. Dort finden sich zudem die Hochburgen der Altersarmut, wenn man diese an der Grundsicherungsquote im Alter festmacht. In den neuen Bundesländern fallen die Anteilswerte in der Regel (deutlich) niedriger aus als in den alten Ländern. Die Empfängerquoten bei Erwerbsminderung liegen zudem – teilweise merklich – unterhalb der Empfängerquoten im Alter. Zur Interpretation sind einige Besonderheiten des Leistungsrechts zu berücksichtigen.

Die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist eine bedarfsorientierte und bedürftigkeitsgeprüfte Fürsorgeleistung. Zugang zu den Leistungen haben erwachsene Personen, deren (anrechenbares) Einkommen, (verwertbares) Vermögen und/oder (realisierbare) Unterhaltsansprüche nicht ausreichen, um den individuellen Bedarf zu decken. Hierbei bleiben Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern bzw. Eltern unberücksichtigt, sofern das jährliche Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen 100.000 Euro nicht übersteigt. – Im Bundesdurchschnitt betrug der (Brutto-) Bedarf erwerbsgeminderter Leistungsempfänger 788 Euro und bei älteren Hilfebedürftigen 795 Euro (Dezember 2018).

Hilfebedürftige Bezieher einer (vollen) Altersrente haben erst nach Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung (2018: 65 Jahre und sieben Monate; bis 2011 betrug das Regelalter 65 Jahre – seither steigt die Grenze in Abhängigkeit vom Geburtsjahr auf 67 Jahre für ab 1964 Geborene; vgl. Info-Box). Wer eine vorgezogene Altersrente bezieht, ist bei Bedürftigkeit zunächst auf Leistungen nach dem dritten Kapitel SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) verwiesen; hier aber ist vor allem der Unterhaltsrückgriff sehr viel rigider ausgestaltet. Und bedürftige Erwerbsgeminderte haben nur dann Zugang zu Leistungen der Grundsicherung nach SGB XII, sofern sie voll und dauerhaft erwerbsgemindert sind; andernfalls sind auch sie auf Leistungen nach dem dritten Kapitel SGB XII bzw. nach dem SGB II (»Hartz IV«) verwiesen.

Voll erwerbsgemindert sind Personen, die aufgrund einer Krankheit oder einer Behinderung für einen nicht absehbaren Zeitraum täglich nicht mindestens drei Stunden erwerbstätig sein können (unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes). Zudem werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit seit 2001 grundsätzlich als Zeitrenten für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn geleistet; die Befristung kann wiederholt erfolgen. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, können nur dann von Beginn an unbefristet geleistet werden, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Leistungsminderung behoben werden kann – hiervon ist insbesondere nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen.

Vom EM-Rentenbestand der allgemeinen Rentenversicherung (2018: 1,815 Millionen) entfielen zuletzt gut fünf Prozent auf Renten wegen teilweiser (also nicht voller) Erwerbsminderung bzw. ein knappes Viertel auf Zeitrenten, also nicht auf Dauer bewilligte EM-Renten; vom Rentenzugang (2018: 166.934) wurden knapp 50 Prozent aller Renten als Zeitrente gewährt, fast 14 Prozent entfielen auf Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung. Unabhängig von der Frage der Hilfebedürftigkeit sind damit von vornherein überschlägig fast 30 Prozent des EM-Rentenbestands und rund 60 Prozent des EM-Rentenzugangs vom Bezug der Grundsicherung nach SGB XII ausgeschlossen. Dennoch erhielten im vergangenen Jahr 15 Prozent aller Bezieher einer EM-Rente (Inlandsrenten) Grundsicherung nach SGB XII – von den Beziehern einer Altersrente (Inlandsrenten) ab der Regelaltersgrenze waren es hingegen »nur« 2,6 Prozent.

[1] Am 31. Dezember (bis 2014) bzw. im Dezember (ab 2015) und bezogen auf die erwachsene Bevölkerung entsprechenden Alters – bis zur (EM) bzw. ab der (Alter) Regelaltersgrenze.

Anhang: Grundsicherungsquoten im Alter und bei Erwerbsminderung (SGB XII) nach Ländern 2005 – 2018:

http://www.portal-sozialpolitik.de/uploads/sopo/pdf/2019/2019-08-19_GruSi_SGB_XII_nach_Laendern_2005_2018_PS.pdf

 

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Ein Kommentar

  • Norbert Kozicki

    Leider vergisst der sozialpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, dass seine Partei im wesentlichen mit dafür verantwortlich, dass die Renten seit 2001 so gekürzt wurden. Auch die jetzt vorgeschlagene Grundrente löst nicht die Probleme, dass 62 % der RentnerInnen einen Rentenzahlbetrag vor Steuern von bis 1.000 Euro bekommen. Wenn die Steuerbescheide für die NeurentnerInnen und RenterInnen kommen werden, wird der Aufschrei groß werden.
    Norbert Kozicki

    Eine Stellungnahme der SPD-Landtagsfraktion vom 10.Mai 2019

    Immer mehr Menschen in NRW sind auf Grundsicherung angewiesen – die Grundrente muss kommen

    In Nordrhein-Westfalen sind immer mehr Menschen auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen. Das Landesamt für Statistik hat jetzt mitgeteilt, dass die Zahl der Leistungsempfänger Ende 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 2,1 Prozent auf 282.186 Menschen gestiegen ist. Dazu sagt Josef Neumann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW:

    „Immer mehr Rentnerinnen und Rentner in NRW müssen von Sozialhilfe leben, weil die Rente nicht reicht. Niemand darf sich jedoch mit steigender Altersarmut abfinden. Deswegen muss jetzt schnell die Grundrente kommen. Wer ein Leben lang gearbeitet, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt hat, muss im Alter mehr haben als die Grundsicherung – und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung.

    Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich mit all ihren Möglichkeiten auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass ein entsprechender Gesetzentwurf zur Einführung der Grundrente bis zur Sommerpause vorgelegt wird.“

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