Steigende Mieten und hohe Wohnkosten: in Herne 26,5% aller Haushalte im Armutsgefährdungsbereich. In Herne fehlen für über 11 000 Haushalte „leistbare Wohnungen“ (Böckler Stiftung)

 

Steigende Mieten und hohe Wohnkosten sind für viele Einwohner in deutschen Großstädten ein gravierendes Problem. Wohnen ist zum sozial- und verteilungspolitischen Thema geworden.

 

Die tatsächliche Mietbelastung übersteigt in vielen Haushalten einen Anteil von 30 Prozent des Einkommens (Lebuhn, Holm, Junker, Neitzel 2017). Das ist der Anteil, der allgemein als angemessen gilt. Mit diesem Ergebnis bleibt aber noch offen, wie viele und welche Wohnungen in deutschen Großstädten fehlen, damit Haushalte mit ausreichendem und gleichzeitig leistbarem Wohnraum versorgt werden können. In der hier vorgelegten Analyse wird die soziale Versorgungslücke in deutschen Großstädten insgesamt und bezogen auf einzelne Großstädte aufgezeigt. Dazu wurden zunächst der nach Haushaltsgrößen und Einkommensklassen differenzierte Versorgungsbedarf an Wohnungen und das nach Größe und Preis differenzierte Versorgungspotential des Wohnungsbestandes in den Städten ermittelt. Weil sich zeigt, dass Versorgungsbedarf und Versorgungspotenzial nicht übereinstimmen, kann die soziale Versorgungslücke an leistbaren Wohnungen für verschiedene Haushaltsgrößen und Einkommensgruppen in den untersuchten Städten bestimmt werden.
Wie viele und welche Wohnungen in den 77 Großstädten in Deutschland fehlen, zeigt diese Auswertung der neuesten verfügbaren Mikro-zensusdaten aus dem Jahr 2014. Dies sind die zentralen Ergebnisse:
Insgesamt fehlen im Bestand der Großstädte rund 1,9 Millionen leistbare Wohnungen. Die größte Versorgungslücke gibt es für Einpersonenhaushalte mit Einkommen unterhalb der Armutsgrenze, das sind Haushalte mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Hier werden über 1,4 Mio. kleine Wohnungen zu Mietpreisen zwi-schen 4 und 5 €/m² zusätzlich benötigt, um alle Haushalte angemes-sen mit leistbaren Mieten zu versorgen.
Großen Mangel an leistbarem und ausreichend großem Wohnraum für armutsgefährdete Haushalte gibt es in folgenden Städten: In München und in Städten der Rhein-Main Region sowie im Großraum Köln-Bonn sind nur weniger als 10 Prozent der Wohnungen für diese ärmeren Haushalte ohne erhöhte Mietkostenbelastung leistbar.
Auch in anderen einwohnerstarken Städten mit hohen Anteilen an Niedrigverdienern (z.B. Berlin, Leipzig, Dresden) oder mit hohem Mietniveau (z. B. München, Stuttgart, Düsseldorf) fehlt leistbarer Wohnraum.

In knapp 50 Prozent aller Haushalte in den 77 deutschen Großstädten lebt nur eine Person. Den 6,7 Mio. Einpersonenhaushalten stehen aber nur rund 2,5 Mio. Kleinstwohnungen gegenüber. Der Wohnungsbestand passt heutzutage also nicht mehr zu der Struktur der Bewohnerschaft in den Großstädten und ist damit ein wesentlicher Grund für die soziale Versorgungslücke.

Haushalte mit mehr als fünf Personen benötigen große Wohnungen. Wenn sie über ein mittleres Einkommen verfügen, sind nur 18% des Wohnungsbestands für sie leistbar, d.h. dann wäre ihre Mietbelastungsquote nicht höher als 30%.

Die Versorgungspotentiale unterscheiden sich erwartungsgemäß zwischen den Einkommensgruppen. Je höher das Einkommen, desto größer der Umfang des leistbaren Bestandes. Während mit einem mittleren Einkommen über 76 Prozent aller Wohnungen leistbar sind, beträgt dieser Wert für Haushalte mit geringem Einkommen (80 Prozent Bundesmedian) etwa 61 Prozent. Für Haushalte unterhalb der Armutsgrenze (60 Prozent Bundesmedian) halten die Wohnungsbestände in den untersuchten Städten weniger als 25 Prozent leistbare Wohnungen bereit.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sprechen für eine Verschärfung der Versorgungslücke. Die Angebotsmieten sind in fast allen Städten höher als die Bestandsmieten und bieten keinen Beitrag zur Verbes-serung der sozialen Wohnungsversorgung in den Großstädten.

Die Analyse der Versorgungspotentiale in den 77 Großstädten zeigt, dass ein Großteil der Wohnungen zu Mietpreisen vermietet wird, die grundsätzlich für die Versorgung von breiten Schichten der Bevölkerung geeignet sind. Gemessen an den jeweils angemessenen Wohnungsgrößen für die Haushalte sind über 8,1 Mio. Mietwohnungen für Haushalte mit mittleren Einkommen leistbar. Das entspricht einem Anteil von zwei Drittel (66,7 Prozent) aller Wohnungen. Auch für die Haushalte mit einem geringen Einkommen von 80 Prozent des Medianeinkommens weist ein Anteil von 53,2 Prozent auf ein grundsätzlich ausreichendes Versorgungspotential hin. Knapp 6,5 Mio. Wohnungen sind bei passen-der Haushaltsgröße für Haushalte mit geringen Einkommen leistbar.

Deutlich geringer fällt der Anteil der leistbaren Wohnungen für die Haushalte unterhalb der Armutsgrenzen (< 60 Prozent Bundesmedianeinkommen) aus. Die etwa 2,6 Mio. leistbaren Wohnungen entsprechen einem Anteil von 21,2 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes.

Wer sich für die gesamte Studie interessiert (die Zahlen für Herne und die anderen untersuchten Ruhrgebietsstädte befinden sich im statistischen Anhang):

boeckler bezahlbarer Wohnraum

Hier zwei weitere Artikel zum „wahren Problem der Nation“:

Das wahre Problem der Nation heißt Wohnungsnot

Miete Wohnen in der Krise

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