Ein Beispiel des DIW für eine intelligente Argumentation gegen die Wiedererhebung der Vermögenssteuer ! Statt Vermögenssteuer Vermögen für alle !

Ein Beispiel des DIW für eine intelligente Argumentation gegen die Wiedererhebung der Vermögenssteuer !

Vermögensungleichheit in Deutschland bleibt trotz deutlich steigender Nettovermögen anhaltend hoch

DIW Wochenbericht 40 / 2019, S. 735-745

Markus M. Grabka, Christoph Halbmeier

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Nettovermögen steigen nominal von 2012 bis 2017 im Schnitt um ein Fünftel

Vermögensungleichheit in Deutschland verharrt im internationalen Vergleich auf hohem Niveau

Vermögen in Westdeutschland im Schnitt doppelt so hoch wie im Osten

Oberste Vermögensdezile halten besonders häufig Immobilien und Betriebsvermögen, die stark im Wert stiegen

Staatliche Förderinstrumente müssen effizienter ausgestaltet und Beträge deutlich erhöht werden, um Vermögensungleichheit zu reduzieren

 

„Um die Vermögensungleichheit zu reduzieren, wird es nicht reichen, große Vermögen ein wenig zu besteuern. Statt eine Vermögensteuer einzuführen, sollte besser die Vermögensbildungspolitik neu ausgerichtet werden.“ Markus M. Grabka

Die Themen Vermögensungleichheit und Vermögensteuer als Instrument zur Bekämpfung dieser Ungleichheit haben in diesem Sommer in Politik und Medien wieder mal für viel Diskussionsstoff gesorgt, was sicherlich auch den Landtagswahlen in einigen ostdeutschen Ländern geschuldet war. Für viele geht gefühlt die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Der Frage, ob die Vermögensungleichheit tatsächlich zunimmt, geht die vorliegende Studie nach, die bisherige Untersuchungen des DIW Berlin zur Vermögensungleichheit in Deutschland für den Zeitraum 2002 bis 2017 aktualisiert. 2017 ist das Jahr mit den aktuellsten verfügbaren sowie aufbereiteten Vermögensdaten (Kasten).info Unter die Lupe genommen werden in diesem Bericht sowohl die Entwicklung der Nettovermögen als auch die Verteilung über die Vermögensdezileinfo, Alterskohorten, Regionen (Ost/West) und Vermögenskomponenten sowie der Zusammenhang von Einkommen und Vermögen.

Empirische Grundlage sind die vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Kantar erhobenen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP).info Im Gegensatz zu anderen Bevölkerungsbefragungen, in denen das Vermögen lediglich auf Haushaltsebene erfasst wird,info wird im SOEP das Vermögen von allen Personen ab 17 Jahren eines Privathaushalts separat erfragt.info

Zehn verschiedene Vermögenskomponenten werden im SOEP erhoben: (1) selbstgenutztes Wohneigentum, (2) sonstiger Immobilienbesitz (unter anderem unbebaute Grundstücke, Ferien- und Wochenendwohnungen), (3) Geldvermögen (Sparguthaben, Spar- und Pfandbriefe, Aktien und Investmentanteile), (4) Vermögen aus privaten Versicherungen (Lebens- und private Rentenversicherungen einschließlich sogenannter Riester-Verträge), (5) Bausparguthaben, (6) Betriebsvermögen (Besitz von Einzelunternehmen und Beteiligung an Personen- oder Kapitalgesellschaften; nach Abzug von betrieblichen Verbindlichkeiten), (7) Sachvermögen in Form wertvoller Sammlungen wie Gold, Schmuck, Münzen oder Kunstgegenstände sowie Verbindlichkeiten in Form von (8) Hypothekenkrediten auf selbstgenutzte Immobilien, (9) Hypothekenkrediten auf sonstige Immobilien als auch (10) Konsumentenkrediten. Im Jahr 2017 wurden erstmals zwei weitere Vermögenskomponenten erfragt: der Wert von Kraftfahrzeugen und die Höhe der Restschuld aus Ausbildungs- beziehungsweise Studienkrediten.

Werden die Verbindlichkeiten vom Bruttovermögen abgezogen, ergibt sich das wohlfahrtsökonomisch relevante Nettogesamtvermögen, das üblicherweise für Analysen zur personellen Vermögensverteilung herangezogen wird. Folgende Vermögenskomponenten bleiben hingegen beim hier analysierten Nettovermögen ausgeblendet: das Bargeld, der Wert des Hausrats (ohne Kraftfahrzeuge), der Wert von Nutztieren und Nutzpflanzen, Ausrüstungen, immaterielle Anlagegüter, Ansprüche gegenüber privaten Krankenversicherungen, Verbindlichkeiten aufgrund gewerblicher Kredite und gewerbliche Anteile von Wohnbauten als auch Anwartschaften an Alterssicherungssysteme.info

Nettovermögen wächst seit 2012 um mehr als 20 Prozent

Das individuelle durchschnittliche Nettovermögen lag nominal im Jahr 2017 bei mehr als 108000 Euro (Tabelle 1 letzte Spalte).info Der Median der Vermögensverteilung, also der Wert, der die reichsten 50 Prozent der Bevölkerung von der ärmeren Hälfte trennt, lag mit rund 26000 Euro oder einem Viertel wesentlich niedriger als der Durchschnitt, was auf eine hohe ungleiche Verteilung hinweist. Rund 15 Prozent aller Erwachsenen verfügten über kein persönliches Vermögen – bei sechs Prozent waren die Verbindlichkeiten sogar höher als das Bruttovermögen. Wer zum reichsten Zehntel der Bevölkerung ab 17 Jahren gehört, besitzt ein nominales Nettovermögen von mehr als 275000 Euro, beim reichsten Prozent liegt der Schwellenwert bei etwas mehr als einer Million Euro.info

Tabelle 1: Vermögensverteilung1 in Deutschland

Individuelle Nettovermögen Inklusive dem Wert von Kraftfahrzeugen und nach Abzug von Studienkrediten
untere Grenze 2002 obere Grenze untere Grenze 2007 obere Grenze untere Grenze 2012 obere Grenze untere Grenze 2017 obere Grenze untere Grenze 2017 obere Grenze
Gini-Koeffizient 0,768 0,776 0,784 0,790 0,799 0,809 0,769 0,779 0,790 0,769 0,779 0,789 0,749 0,759 0,769
Perzentilsverhältnisse
p90/p50 13,4 14,1 14,6 13,3 14,5 15,9 11,4 12,8 14,2 12,0 13,2 14,0 9,8 10,5 11,2
p75/p50 6,4 6,6 6,9 5,8 6,4 6,9 5,2 5,9 6,5 5,8 6,1 6,5 4,8 5,0 5,2
Mittelwert in Euro 77721 80469 83233 78417 82189 85948 81126 84530 87933 98745 102868 107026 104246 108449 112620
Perzentile in Euro
p99 723280 767952 823932 740579 812943 888565 782080 839408 899442 928876 1035000 1153155 941178 1045680 1167932
p95 310922 323941 335968 308572 324148 340145 315676 331800 349719 389606 406365 427219 400576 419766 437215
p90 205187 211867 218737 201147 209789 218551 210813 219100 226544 254388 263500 273594 267511 275770 284490
p75 95346 99568 102000 88285 92482 96647 97616 100190 103558 118957 122792 126609 125396 130040 134269
Median 14470 15000 15808 13133 14520 15654 15159 17120 19101 18671 20010 21967 24528 26260 28116
p25 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 1259 1590 2131
p10 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
p5 −2914 −1920 −887 −4656 −3960 −3119 −4504 −3718 −2791 −3665 −3000 −2239 −2688 −2044 −1577
p1 −22698 −20255 −18293 −33594 −30000 −24925 −27551 −24374 −20953 −26661 −23107 −19441 −23246 −20360 −18140
Anteil der Personen mit einem Nettovermögen unter 0 Euro in Prozent 5,3 5,7 6,2 7,1 7,7 8,3 7,1 7,6 8,0 6,4 6,9 7,3 5,9 6,4 6,9
Anteil der Personen mit einem Nettovermögen gleich 0 Euro in Prozent 21,2 21,9 22,6 19,5 20,3 21,1 18,9 19,7 20,4 21,4 22,1 22,9 14,0 14,5 15,1
Nettovermögen2 insgesamt in Mrd. Euro 5775 5918 5920 7390 7776

1 Individuelle Nettovermögen der Personen ab 17 Jahren in Privathaushalten, ohne Personen der Flüchtlingssamples M3 bis M5.

2 Ohne Top-Coding.

Anmerkungen: Statistisch signifikante Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Erhebungsjahr zuvor sind grün markiert. Untere bzw. obere Grenze geben die Schwellenwerte eines 95-Prozent-Konfidenzintervalls an.

Quelle: SOEPv34, mit 0,1 Prozent Top-Coding; eigene Berechnungen.

Für einen Vergleich des Nettovermögens über die Zeit wird der Wert von Kraftfahrzeugen und die Restschuld von Ausbildungskrediten aus den Angaben des Jahres 2017 herausgerechnet, da diese erstmals im Jahr 2017 erhoben wurden. Das individuelle Nettovermögen im Jahr 2017 fällt ohne diese beiden Vermögenskomponenten mit 103000 Euro um etwa 5000 Euro niedriger aus.

Von 2002 bis 2012 zeigen sich über die Verteilung hinweg nur leichte Veränderungen.info Anders verhält es sich jedoch für den Zeitraum von 2012 bis 2017: Das durchschnittliche individuelle Nettovermögen legte nominal um knapp 22 Prozent signifikant zu. Diese relative Veränderung betraf nahezu die gesamte Verteilung mit Ausnahme derjenigen mit einem Vermögen von null, während die absolute Zunahme vor allem in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung stattfand.

Vermögensungleichheit verharrt auf hohem Niveau

Ein Standardmaß zur Messung von Vermögensungleichheit ist der Gini-Koeffizient. Je höher der Wert ist, desto ausgeprägter ist die gemessene Ungleichheit.info Von 2002 bis 2007 stieg der Gini-Koeffizient von 0,776 auf 0,799 signifikant. Seitdem verharrt die Vermögensungleichheit auf einem hohen Niveau, vor allem im Vergleich zur Einkommensverteilung, wo der Gini-Koeffizient der bedarfsgewichteten verfügbaren Haushaltseinkommen bei knapp 0,3 liegt.info Wird beim Vermögen der Wert von Kraftfahrzeugen berücksichtigt und die Restschulden von Ausbildungskrediten abgezogen, fällt der Gini-Koeffizient im Jahr 2017 mit 0,759 nur geringfügig kleiner aus als ohne diese Komponenten. Im internationalen Vergleich ist Deutschland eines der Länder im Euroraum mit der höchsten Vermögensungleichheit.info

Ein alternatives Verteilungsmaß ist das 90/50-Dezilverhältnis, das die untere Vermögensgrenze der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung auf den Median der Vermögensverteilung bezieht. Diese Kennziffer gibt also das Vielfache des Vermögens „reicher“ Personen im Verhältnis zum Mittelpunkt der Vermögensverteilung an. Im Jahr 2017 hatte die „ärmste“ Person innerhalb der Top-Zehn-Prozent-Gruppe mehr als zehnmal so viel Vermögen wie die Person in der Mitte der Verteilung. Gegenüber den Vorjahren hat sich dieser Wert nur geringfügig geändert.

Den reichsten zehn Prozent der Bevölkerung gehören 56 Prozent des Gesamtvermögens

Die Vermögenskonzentration kann auch durch den Anteil am deutschen Gesamtvermögen beschrieben werden (Abbildung 1). So hatte im Jahr 2017 die untere Hälfte der Bevölkerung ab 17 Jahren einen durchschnittlichen Anteil am Nettogesamtvermögen von 1,3 Prozent. Am oberen Ende der Verteilung halten die reichsten zehn Prozent einen Anteil von 56 Prozent des Gesamtvermögens. Zieht man nur das reichste Prozent heran, so beläuft sich deren Vermögensanteil auf schätzungsweise 18 Prozent. Dies ist ungefähr so viel, wie die ärmsten 75 Prozent der Bevölkerung zusammen an Vermögen halten.

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse muss beachtet werden, dass eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe wie das SOEP den Bereich sehr hoher Vermögen tendenziell untererfasst und somit das Ausmaß der tatsächlich in Deutschland vorhandenen Vermögensungleichheit unterschätzt. Vermutlich ist es in den vergangenen zehn Jahren zu einem Anstieg der Vermögensungleichheit gekommen, da die Zahl der Vermögensmillionäre seit 2008 um 69 Prozent oder gut 550000 Personen zugenommen hat.info

Individuelle Vermögensposition stark abhängig von Alter, Region und Einkommen

Ein Vergleich der Vermögensbestände nach Geburtskohorten zeigt ein deutliches Lebenszyklusmuster (Abbildung 2). Bis zu einem Alter von 25 Jahren verfügen junge Erwachsene über sehr geringes oder gar kein Vermögen. Mit Abschluss der Ausbildungsphase und dem Eintritt in das Erwerbsleben besteht die Möglichkeit, zu sparen und eigenes Vermögen aufzubauen. Mit zunehmendem Lebensalter steigt das durchschnittliche Nettovermögen deutlich. Mit dem Übergang in die Rentenphase geht das Vermögen leicht zurück, weil Lebensversicherungen ausgezahlt und Vermögen verzehrt werden, um das wegfallende Erwerbseinkommen zu kompensieren. In der mittleren Ruhestandsphase steigt dann signifikant die Wahrscheinlichkeit von Erbschaften oder Schenkungen, sowohl durch die Elterngeneration als auch durch Ehe- und LebenspartnerInnen. Im höheren Rentenalter findet tendenziell ein Entsparen statt, weil sowohl private Ausgaben für Krankheit und Pflege steigen als auch vermehrt Schenkungen an Dritte getätigt werden.

Die Geburtskohorte der zwischen 1966 und 1970 Geborenen hat zwischen 2012 und 2017 mit 46000 Euro den größten Vermögenszuwachs erzielt (im Jahr 2017 waren diese Personen zwischen 47 und 51 Jahren alt).

Westdeutsche mit durchschnittlich höheren Nettovermögen als Ostdeutsche

Das individuelle Nettovermögen in Westdeutschland ist im Durchschnitt mit 121500 Euro mehr als doppelt so hoch wie in Ostdeutschland mit 55000 Euro (Abbildung 3). Mit zunehmendem Lebensalter nimmt zudem auch der Vermögensabstand zwischen Ost- und Westdeutschland zu: Während im Jahr 2017 bei den 21- bis 25-Jährigen diese Differenz bei 5000 Euro liegt, beträgt sie bei den 51- bis 55-Jährigen 51000 Euro und erreicht seinen höchsten Unterschied bei den 76- bis 80-Jährigen mit 133000 Euro.

Die große Differenz insbesondere im höheren Lebensalter erklärt sich aus den wenigen Sparmöglichkeiten zu DDR-Zeiten, einem niedrigen Lohnniveau nach der Wiedervereinigung, durch geringe Marktwerte von Immobilien in weiten Teilen Ostdeutschlands sowie kleineren Anteilen an Haus- und Wohnungseigentum im Vergleich zu Westdeutschland.

Je höher das Haushaltseinkommen, desto höher das Vermögen

Neben Wertsteigerungen, Erbschaften und Schenkungen zählt das Sparen zu den wichtigsten Quellen für den Vermögensaufbau. Die Höhe des Sparbetrags ist dabei im Wesentlichen abhängig von der Höhe des verfügbaren Einkommens. Im Folgenden wird das bedarfsgewichtete Haushaltsnettoeinkommen in Beziehung gesetzt zum Nettovermögen (Abbildung 4). Legt man bei der Einteilung der Dezile nicht das individuelle Nettovermögen, sondern das Haushaltsnettoeinkommen zugrunde, zeigt sich zunächst wenig überraschend, dass je höher das Einkommen ist, desto höher auch das Nettovermögen ausfällt. Vergleicht man die beiden Zeitpunkte 2012 und 2017 miteinander, so hat sich in den beiden untersten Einkommensdezilen das bereits vergleichsweise geringe Nettovermögen dieser Personen um nominal 3500 bis etwa 5000 Euro reduziert.info Ab dem dritten Einkommensdezil zeigen sich nennenswerte Zuwächse, die aber je nach Position unterschiedlich stark ausfallen. So beläuft sich der Zuwachs in den Dezilen drei, acht und neun auf rund zehn Prozent, im siebten Dezil auf annähernd ein Viertel und in den Dezilen vier, fünf und zehn auf mehr als ein Drittel. Der absolute Zuwachs ist im obersten Dezil mit 90000 Euro am höchsten. Dies bedeutet im Ergebnis, dass sich bei einer gemeinsamen Betrachtung von Einkommen und Vermögen die Vermögenssituation in den beiden einkommensschwächsten Dezilen verschlechtert hat, während gleichzeitig im einkommensstärksten Dezil signifikante Zuwächse beim Vermögen stattfanden.

Immobilienbesitz erhöht das Vermögen beträchtlich

Der Anteil der Personen, die zur Miete wohnen, ist in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Gerade ImmobilienbesitzerInnen erzielten aber in den vergangenen Jahren deutliche Wertsteigerungen. Daher lohnt eine Analyse der Vermögen nach Eigentümerstatus (Abbildung 5).

Beide Gruppen unterscheiden sich signifikant in der Höhe der Nettovermögen. Zudem steigt die Höhe des Nettovermögens im Altersverlauf bei EigentümerInnen weitaus stärker als bei MieterInnen. Das individuelle Nettovermögen erreicht mit einem Wert von knapp 280000 Euro bei EigentümerInnen im Alter von 71 bis 75 Jahren seinen Höchststand. Bei MieterInnen wird im Durchschnitt der Maximalwert von 55000 Euro bereits im Alter von 51 bis 55 Jahren erreicht. Der Unterschied zwischen den beiden Statusgruppen erklärt sich vor allem daraus, dass ImmobilienbesitzerInnen, die eine Hypothek aufgenommen haben, sich durch regelmäßige Rückzahlungen vertraglich verpflichten, über einen langen Zeitraum Vermögen aufzubauen, während dieser Zwang bei Mieterhaushalten nicht vorliegt und ein nennenswerter Anteil des Einkommens für Miete verbraucht wird.info

Wichtig ist es daher zu betrachten, inwiefern BesitzerInnen von selbstgenutzten Immobilien noch mit Hypothekenkrediten belastet sind. Der Anteil der BesitzerInnen einer selbstgenutzten Immobilie liegt im Jahr 2017 bei knapp 39 Prozent. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen lebt in einer voll entschuldeten Immobilie (Abbildung 6). Ihr Nettovermögen liegt im Jahr 2017 bei knapp 280000 Euro. Liegen noch Hypotheken auf der Immobilie, so berichten diese EigentümerInnen über ein durchschnittliches Nettovermögen von 164000 Euro. Personen, die zwar in einer selbstgenutzten Immobilie leben, aber selbst kein Eigentum daran halten (elf Prozent der Bevölkerung, in der Regel Kinder im Haushalt oder ein/e Ehe-/PartnerIn), weisen ein individuelles Nettovermögen von rund 35000 Euro auf. Personen, die zur Miete wohnen – immerhin in Deutschland die Hälfte der gesamten erwachsenen Bevölkerung –, haben durchschnittlich ein Nettovermögen von etwa 24000 Euro. Stagnierte zwischen 2002 und 2012 noch das Nettovermögen beider Gruppen, wirken sich ab dem Jahr 2012 Wertsteigerungen von Immobilien positiv auf die Nettovermögen der EigentümerInnen aus (siehe Kasten).

Immobilien sind die quantitativ wichtigste Vermögenskomponente

Die Betrachtung reiner Nettogrößen verdeckt im Allgemeinen wichtige Strukturunterschiede, sowohl bezüglich der Zusammensetzung des Vermögens als auch im Hinblick auf eventuelle Verbindlichkeiten. So kann ein niedriges Nettovermögen das Ergebnis eines hohen Bruttovermögens bei gleichzeitig hohem Schuldenstand sein (zum Beispiel bei jungen Familien kurz nach dem Erwerb eines mit Hypotheken belasteten Eigenheims), oder es kann schlicht ein niedriges Geldvermögen ausdrücken.

Daher wird im Folgenden die Zusammensetzung des Vermögens nach Dezilen des Nettovermögens betrachtet (Abbildung 7). Im untersten Dezil ist das Nettovermögen negativ, da diese Personen insbesondere Restschulden aus Konsumentenkrediten in einer Höhe von im Schnitt 13000 Euro aufweisen; Bruttovermögen liegen dagegen in diesem Dezil häufig vor. Im zweiten und dritten Dezil liegen indes nahezu keine Bruttovermögen vor. Das vierte Dezil wird geprägt durch private Versicherungen und Geldvermögen, während gleichzeitig kaum Verbindlichkeiten vorhanden sind. Ab dem fünften Dezil gewinnt der selbstgenutzte Immobilienbesitz an Bedeutung. Parallel dazu nimmt die relative Bedeutung von Hypothekenrestschulden ab.

Das oberste Dezil unterscheidet sich nicht nur in der absoluten Vermögenshöhe von den anderen Dezilen. Das Vermögensportfolio hat auch eine andere Struktur. Bei dieser Personengruppen verliert die selbstgenutzte Immobilie an Relevanz und drei andere Komponenten gewinnen an Gewicht: der sonstige Immobilienbesitz, das Geldvermögen und das Betriebsvermögen. Auf der anderen Seite sind Hypothekenrestschulden auf eine eigene Immobilie von geringer Bedeutung, während Verbindlichkeiten aus Restschulden auf sonstige Immobilien überdurchschnittlich hoch ausfallen.

Betrachtet man statt der Höhe der verschiedenen Vermögenskomponenten das reine Vorhandensein (Inzidenz), oder mit anderen Worten den Anteil der Personen, die eine bestimmte Vermögensart halten, so wird ersichtlich, dass Kraftfahrzeuge mit einem Anteil von 60 Prozent am häufigsten verbreitet sind (Abbildung 8). Zudem wird diese Vermögensart auch in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung überdurchschnittlich häufig gehalten. Diese Struktur findet sich auch für andere Komponenten. Private Versicherungen, Bausparguthaben oder auch Geldvermögen sind ab dem fünften Vermögensdezil besonders verbreitet.

Mehr als 80 Prozent der Personen des achten bis zehnten Dezils halten Vermögen in Form von selbstgenutzten Immobilien. Das oberste Dezil unterscheidet sich zudem von den anderen Dezilen dadurch, dass diese Personen mit knapp der Hälfte auch sonstige Immobilien besitzen, zu rund einem Fünftel über Betriebsvermögen und Wertsachen verfügen und auch bei den Hypotheken auf sonstige Immobilien mit 16 Prozent hervorstechen.

Am unteren Ende der Vermögensverteilung sind zwei Verbindlichkeiten besonders häufig anzutreffen. Dies sind Konsumentenkredite, die von rund der Hälfte der Personen aufgenommen wurden, und Ausbildungskredite, die 17 Prozent der Personen aus dem ersten Dezil aufweisen.

Betriebsvermögen und Immobilien mit überdurchschnittlichem Wertzuwachs

Zuletzt wird analysiert, wie sich die einzelnen Vermögenskomponenten im Zeitraum 2012 bis 2017 je VermögensbesitzerIn nominal im Wert verändert haben (Tabelle 2). Den absolut stärksten Wertzuwachs mit 45000 Euro erfuhr das Betriebsvermögen für diejenigen, die angaben, diese Vermögensart zu halten. Der selbstgenutzte Immobilienbesitz stieg um 30500 Euro an Wert, während der sonstige Immobilienbesitz um knapp 27700 Euro an Wert gewann. Alle andere Bruttovermögenskomponenten veränderten sich in der absoluten Höhe deutlich geringer.

Tabelle 2: Vermögenskomponenten in Deutschland

Mittelwert in Euro nur derjenigen, die die jeweilige Vermögenskompente haben

2002 2007 2012 2017 2017 inklusive dem Wert von Kraftfahrzeugen und nach Abzug von Studienkrediten Absolute Veränderung 2012/2017
Je erwachsener/m VermögensbesitzerIn

Mittelwert in Euro

Bruttovermögen 133161 133613 134379 168012 156616 33633
selbstgenutztes Wohneigentum 139277 138981 139910 170437 170437 30527
sonstige Immobilien 174275 184439 167929 195581 195581 27652
Geldvermögen 22758 27241 29445 36560 36560 7115
Betriebsvermögen 219652 217160 198735 244076 244076 45341
Wertsachen 18462 23728 15231 15014 15014 −217
Versicherungen & Bausparvermögen 20037 20093 18857 21779 21779 2922
Versicherungen1 18871 16978 21401 21401 4423
Bausparvermögen1 9895 9904 10491 10491 587
Fahrzeuge 9770
Schulden 53325 51744 50069 57415 54400 7346
Hypotheken auf selbstgenutzte Immobilien 47127 53764 53464 60191 60191 6727
Hypotheken auf sonstige Immobilien 105964 106551 92548 112957 112957 20409
Konsumentenkredite 21493 14890 15560 18754 18754 3194
Studienkredite 8047

1 In 2002 nicht getrennt erhoben.

Anmerkungen: Individuelle Nettovermögen der Personen ab 17 Jahren in Privathaushalten, ohne Personen der Flüchtlingssamples M3 bis M5. ohne den Wert von Kraftfahrzeugen und ohne die Restschuld von Ausbildungskrediten.

Quelle: SOEPv34, mit 0,1 Prozent Top-Coding; eigene Berechnungen.

Auf Seiten der Verbindlichkeiten ist insgesamt ein Anstieg um 7300 Euro zu beobachten, der bei den Hypotheken auf sonstige Immobilien mit rund 20500 Euro überdurchschnittlich hoch ausfiel.

Fazit: Die staatliche Förderung der Vermögensbildung sollte neu ausgerichtet werden

Das Nettovermögen hat in Deutschland im Zeitraum 2012 bis 2017 deutlich zugenommen und ist weiterhin sehr ungleich verteilt. Die Vermögensungleichheit hat sich in den letzten zehn Jahren kaum verändert und rangiert weiterhin auf einem auch im internationalen Vergleich hohen Niveau.

Im politischen Raum wird häufig die Vermögensteuer als ein Instrument vorgeschlagen, um die Vermögensungleichheit zu reduzieren. Zwar kann eine solche Steuer fiskalische Mehreinnahmen generieren, jedoch ist deren Erhebung mit verschiedenen Problemen verbunden. So ist ihre Wirkung auf die Vermögensungleichheit bei den diskutierten Steuersätzen vernachlässigbar.info Die Vermögensbestände müssten alle bewertet und regelmäßig aktualisiert werden. Zudem ist von Ausweichreaktionen auszugehen, da Vermögen ins Ausland verlagert werden dürfte. Als ertragsunabhängige Steuer kann die Vermögensteuer zudem in einer Rezession die negativen Auswirkungen des Abschwungs auf die Gesamtwirtschaft verschärfen.info

Will man anhand anderer politischer Maßnahmen das hohe Ausmaß an Vermögensungleichheit reduzieren, bietet es sich an, statt einer Vermögensteuer die Vermögensbildungspolitik neu auszurichten.

Bisherige Maßnahmen waren noch nicht ausreichend, weil sie vielfach komplex, bürokratisch in der Beantragung, die Förderbeträge überschaubar und in der Regel zu gering waren, um nachhaltig Vermögenswerte auch bei unteren oder mittleren Einkommensschichten aufzubauen: So führt das erst kürzlich eingeführte Baukindergeld zu Mitnahmeeffekten und wirkt sich vor allem treibend auf die Immobilienpreise aus.info Die staatliche Wohnungsbauprämie, die Arbeitnehmersparzulage und auch der steuerliche Freibetrag beim Erwerb von Belegschaftsaktien fördern nur einen begrenzten Personenkreis und diesen oft auch nur mit sehr geringen Beträgen. Auch die private Altersvorsorge durch staatliche Zuschüsse und Steuervorteile bei der Riester- oder Rürup-Rente trägt nicht ausreichend zur Vermögensbildung einkommensschwacher Haushalte bei.info Insgesamt beläuft sich das staatliche Fördervolumen zur Vermögensbildung derzeit auf weniger als vier Milliarden Euro und damit nur noch ein Drittel dessen, was noch 2004 zur Verfügung stand.info Auch der Sparerfreibetrag in Höhe von 801 Euro für eine Einzelperson wurde seit 2009 nicht mehr verändert und ist damit real deutlich gesunken.

Um die Vermögensbildung vor allem in der unteren Hälfte der Vermögensverteilung zu fördern, sollten die verschiedenen Instrumente gebündelt und fokussiert werden. Das staatliche Fördervolumen sollte zumindest wieder auf das Niveau des Jahres 2004, also zwölf Milliarden Euro, angehoben werden. Darüber hinaus bietet es sich an, insbesondere die private Altersvorsorge stärker an Modellen aus dem Ausland wie in Schweden zu orientieren, die eine weitaus höhere Rendite erzielen als die in Deutschland geförderten Riester- und Rürup-Renten.info Zudem sollte der private Immobilienbesitz effizienter gefördert werden, zum Beispiel durch ein staatliches Mietkaufmodell.info

Markus M. Grabka

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Infrastruktureinrichtung Sozio-oekonomisches Panel

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