„Union und SPD zahlen mit der Grundrente die Zeche dafür, dass sie seit den 2000er Jahren systematisch einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa gefördert und zugelassen haben.“

Erste Teilbewertung des Koalitionskompromisses zur sogenannten „Grundrente“ aus der Sicht der Linkspartei

Der Grundrenten-Kompromiss der Koalition ist kein sozialpolitischer Meilenstein, sondern der Rettungsring für den Fortbestand der schwarz-roten Bundesregierung.

13.11.2019 Matthias Birkwald (Die Linke)

Es ist gut, dass es endlich einen Rentenzuschlag für Menschen mit niedrigen Löhnen geben soll. Die Einkommensprüfung ist viel zu hart und wird viele Frauen ausschließen“, erklären der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch und Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.

Dietmar Bartsch weiter: „Wenn Hubertus Heil im Februar drei bis vier Millionen Rentner besser stellen wollte und jetzt gerade einmal 1,2 bis 1,5 Millionen einen Zuschlag erhalten, dann ist das kein sozialpolitischer Erfolg. Wieder einmal hat die SPD nicht einmal 50 Prozent dessen erreicht, was ursprünglich gewollt war. Grund ist die viel zu harte Einkommensprü-fung, die Millionen ausschließt.

Der Grundrenten-Streit zeigt, wir brauchen eine große Rentenreform: Altersarmut muss bekämpft werden, das Rentenniveau muss für alle steigen und alle Menschen mit Erwerbseinkommen müssen einzahlen, auch Abgeordnete, Beamte und Selbstständige.“

Matthias W. Birkwald weiter: „Union und SPD zahlen mit der Grundrente die Zeche dafür, dass sie seit den 2000er Jahren systematisch einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa gefördert und zugelassen haben. Deshalb ist es gut, dass Menschen, die 35 Jahre zu miesen Löhnen arbeiten mussten, einen Zuschlag von bis zu 404 Euro brutto erhalten können und dieser und die neuen Freibeträge in der Grundsicherung und beim Wohngeld komplett aus Steuermitteln gegenfinanziert werden.

Schlecht ist, dass sehr viele Betroffene nach 35 Beitragsjahren mit ihrem Nettozahlbetrag nur bis zu 13,68 Euro netto mehr erhalten werden als die durchschnittliche Leistung von 809 Euro der `Grundsicherung im Alter´ – dem Hartz IV für Rentnerinnen und Rentner.

Und das trotz des Grundrentenzuschlages!

Dies wird bei vielen armen Rentnerinnen und Rentnern in der Praxis zu großem Frust führen, weil Union und SPD die Erwartung genährt hatten, es gäbe deutlich höhere Zahlbeträge.

Es ist aber gut, dass auch diese Betroffenen keinen Antrag werden stellen müssen; es ist gut, dass sie in ihrer Wohnung oder ihrem Haus wohnen bleiben dürfen, es ist gut, dass sie ihr Auto und ihr Erspartes behalten dürfen und es ist gut, dass ihre Kinder nicht mit Rückzahlungsforderungen belastet und belästigt werden. Aber es ist sehr schlecht, dass die meisten Rentnerinnen und Rentner, die einen Grundrentenzuschlag erhalten werden, dennoch in der `Grundsicherung im Alter´ verbleiben müssen, denn hier gibt es eine Bedürftigkeitsprüfung und da ist bei 5000 Euro Erspartem Schluss, das Auto muss abgeschafft werden, die Wohnungsgröße wird geprüft usw. usw.

Gut ist, dass alle Betroffenen mit 35 Beitragsjahren und mehr künftig in der „Grundsicherung im Alter“ einen Freibetrag von bis zu 212 Euro erhalten können. Schlecht ist, dass das nicht für alle Armen mit Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt.

Gut ist, dass eine Bedürftigkeitsprüfung verhindert werden konnte. Schlecht ist, dass es nun für eine relativ geringe im Portemonnaie der Betroffenen ankommende Leistung eine Einkommensprüfung geben wird. Die gab es bei der „Rente nach Mindesteinkommen“ und der „Rente nach Mindestentgeltpunkten“ nie und das ist auch richtig so.

Übrigens: Noch heute erhalten 3,6 Millionen Rentnerinnen und Rentner Zuschläge nach diesen beiden Rentenarten.

Besser wäre gewesen, die zu reformieren und zu entfristen, wie wir LINKEN es seit Jahren fordern, anstatt mit dem Begriff „Grundrente“ Erwartungen zu insinuieren, die dann nicht eingehalten werden können. Schlecht ist auch, dass durch die Einkommensprüfung und der ebenfalls von der Union durchgesetzten Anhebung der Untergrenze auf 0,3 Entgeltpunkte nach Angaben des BMAS 1,4 Millionen Menschen mit einem Federstrich von der sogenannten `Grundrente´ ausgeschlossen werden. (30 statt 24 Prozent des Durchschnittseinkommens entsprechen 2019 972,60 Euro statt 778,08 Euro monatlichem Bruttolohn.)

Aus LINKER Sicht ist für die sogenannte „Grundrente“ eine Einkommensprüfung nicht notwendig. Diese braucht es nur bei deutlich höheren Leistungen, wie der von uns vorgeschlagenen einkommens- und vermögensgeprüften Solidarischen Mindestrente, mit der sichergestellt würde, dass niemand im Alter von weniger als aktuell 1050 Euro netto leben müsste. DIE LINKE wird im Gesetzgebungsverfahren für folgende Punkte kämpfen:

1. 35 Beitragsjahre sind als Hürde zu hoch! DIE LINKE fordert, dass 25 Jahre als Voraussetzung reichen mögen, so, wie es die CDU/CSU bei der „Rente nach Mindesteinkommen“ im Jahre 1972 gefordert und bei der sozialliberalen Koalition durchge-setzt hat. Hier gilt: Do it again, Sam!

2. Die Anhebung der Untergrenze an Entgeltpunkten (von 0,2 über 0,24 auf 0,3) und vor allem die Kürzung des Zuschlags um 12,5 Prozent treffen überproportional Menschen mit niedrigen Renten. Darum müssen sie beide gestrichen werden.

3. Auch die Ehefrau eines gut verdienenden Mannes, die 35 Jahre zu niedrigen Löhnen arbeiten musste, hat sich einen Rentenzuschlag verdient. (Gilt auch umgekehrt). Die Einkommensprüfung ist bei dieser Leistung verzichtbar. Es bleibt abzuwarten, ob sie wie angekündigt überhaupt „unbürokratisch“ und unter Berücksichtigung des Datenschutzes umzusetzen sein wird.

4. Der Freibetrag für gesetzliche Renten in der „Grundsicherung im Alter“ darf nicht an 35 Beitragsjahre gekoppelt werden. Wir fordern, dass er für alle gesetzlichen Renten gelten muss und insofern mit Riester- und Betriebsrenten gleichgestellt wird.

5. Als Gegenfinanzierung für unsere Vorschläge fordern wir LINKEN, dass der gesetzliche Mindestlohn sofort auf zwölf Euro brutto angehoben werden möge. Das würde die Kosten für die sogenannte „Grundrente“ mittel- und langfristig erheblich reduzieren und zwar zu Lasten der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Das wäre sachlich angemessen und sozial gerecht, denn sie sind es, die von den zu niedrigen Löhnen profitieren.“

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