Pflegemangel und Fallpauschale: Kein Geld für kranke Kinder – Wie sieht es eigentlich im Ruhrgebiet damit aus ?

Bayerischer Rundfunk

Pflegemangel und Fallpauschale: Kein Geld für kranke Kinder

Münchner Kinderärzte schlagen Alarm. Im Haunerschen Kinderspital, einer der renommiertesten Kinderkliniken in Bayern, kämpfen sie um das Leben und die Gesundheit der kleinen Patienten. Doch immer wieder müssen kranke Kinder abgewiesen werden.

Schwere Operationen müssen verschoben werden. Kein Personal. Zu wenig Geld. Das Haunerschen Kinderspital in München ist ein sogenannter Maximalversorger. 16 Intensivpflegeplätze gibt es hier. Doch rund die Hälfte dieser Plätze ist mit Plastikhüllen abgedeckt und wird nicht genutzt.

München: Für Krankenpfleger nicht bezahlbar?

Dr. Florian Hoffmann von der Haunerschen Kinderklinik München erklärt: „Das liegt vor allem daran, dass wir ganz einfach kein Pflegepersonal mehr finden, dass in München, in einer Stadt, wo das Leben und auch das Wohnen so teuer ist, leider für Krankenpflegepersonal einfach nicht mehr der Ort ist, wo die Leute ihre Ausbildung machen und dann bleiben. Und dieser Strudel wird weiter abwärtsgehen, der Job wird immer unattraktiver und es werden immer weniger Leute machen und wir sind in der Abwärtsspirale und wir schreien seit langem Hilfe, aber so richtig erhört hat uns noch niemand.“

Teure Technik, aber kein Pflegepersonal

Obwohl teure Technik vorhanden ist, gibt es zu wenige Menschen, die diese Technik bedienen und die kranken Kinder versorgen und betreuen können. Ein Albtraum für Eltern und Ärzte. Täglich muss neu entschieden werden, wer aufgenommen werden kann und wer nicht.

Dr. Florian Hoffmann fällt dies schwer: „Abweisen von Patienten fühlt sich immer schlimm an. Natürlich ist es immer ganz, ganz schwierig, wenn Eltern anrufen und klar ist, dass das Kind kommen muss; wenn externe Kliniken anrufen und sagen, wir wissen nicht mehr weiter und wir können die Kinder nicht nehmen. Es bleibt immer so ein Gefühl des Nicht-Geholfen-Habens.“

Immer öfter müssen Kinder weit entfernt untergebracht werden

Für die Eltern bedeutet das, dass immer mehr Kinder im weiteren Umkreis untergebracht werden müssen – zum Beispiel im 80 Kilometer entfernten Garmisch Partenkirchen. Dr. Clemens Stockklausner vom Klinikum Garmisch-Partenkirchen erklärt: „Speziell in den Wintermonaten fährt praktisch jeden Tag ein Krankenwagen von München nach Garmisch-Partenkirchen, weil schlichtweg die Bettenkapazität in München nicht ausreicht.“

Hoher Zeit- und Personaleinsatz wird nicht bezahlt

Dazu kommt, dass die Besonderheiten der Kindermedizin im Bezahlsystem der Kliniken, den sogenannten Fallpauschalen, nicht genügend berücksichtigt werden. Kinder brauchen viel mehr Betreuung als Erwachsene. Doch der höhere Zeit- und Personaleinsatz, den die Kindermedizin erfordert, ist dort meist nicht vorgesehen. Die aufwändige Versorgung kranker Kinder ist nicht im System eingepreist.

Professor Christoph Klein von der Haunerschen Kinderklinik in München weiß: „Jene Prozesse, die man sehr schlank gestalten kann, die man takten kann, wo man Effizienzen steigern kann, wo apparative Medizin zum Einsatz kommt, die werden bevorzugt. Und Prozesse, die das Gespräch mit dem Patienten suchen, mit dem Kind, welches sich nicht durchtakten lässt, weil es ja ein Kind ist, also all diese Prozesse werden strukturell benachteiligt.“

Kinderabteilungen chronisch unterfinanziert

Kinderabteilungen schreiben praktisch immer rote Zahlen, sind Bittsteller und – wirtschaftlich gesehen – ein problematisches Anhängsel. Eltern und Kinder müssen all das ausbaden. Gewinnoptimierung auf dem Rücken kranker Kinder? Professor Christoph Klein beschreibt das Problem so: „Die Kindermedizin ist letztendlich immer in der Defensive und immer im Rechtfertigungsdruck, denn wenn wir die Medizin primär nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten führen – und natürlich müssen (…) die Finanzvorstände Sorge tragen, dass am Schluss des Jahres keine großen Verluste auf dem Papier stehen – das bedeutet natürlich eine gewisse Schieflage, an der die Kinder leiden.“

Kinderärzte in Sorge um die Zukunft

Der Kinderarzt Dr. Florian Hoffmann muss den Mangel tagtäglich verwalten. Die Situation belastet ihn und seine Kollegen. Er macht sich große Sorgen um die Zukunft: „Wenn die Basis nicht mehr stimmt und wir die Basisversorgung unserer Kinder nicht mehr garantieren können, dann muss ich sagen, dann zweifle ich wirklich ganz dramatisch am System. Denn wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und sonst geht es uns wirklich gut.“

Das könnte Sie auch interessieren
Kranke Kinder sind zu teuer: Kliniken schließen Kinderstationen

01.10.2019, 06:00 Uhr

Kranke Kinder sind zu teuer: Kliniken schließen Kinderstationen

In Bayern müssen Kliniken wegen Geldmangels Teile ihrer Kinderstationen schließen. Denn für das deutsche Gesundheitssystem sind schwerkranke Kinder zu teuer. Berlin will reagieren, doch manchem todkranken Kind läuft die Zeit davon.

Volksbegehren zu Pflegenotstand reicht Unterschriften ein

08.03.2019, 13:55 Uhr

Volksbegehren zu Pflegenotstand reicht Unterschriften ein

Mehr als 100.000 Unterschriften für das Volksbegehren „Stoppt den Pflegenotstand“ werden heute ans Bayerische Innenministerium übergeben. Die Initiatoren wollen die Zahl der Pflegekräfte erhöhen und den Pflege-Beruf wieder attraktiv machen.

Kinderärzte in Bayern am Limit

04.12.2019, 17:54 Uhr

Kinderärzte in Bayern am Limit

Aufnahmestopp in vielen Kinderarztpraxen. Besonders betroffen sind Schwangere und Familien, die wegen eines Umzugs den Arzt wechseln wollen. Das Problem: Die Planung der Politik geht am tatsächlichen Bedarf vorbei. Eine Lösung scheint nicht in Sicht…

Sendung

DokThema

teilen mit …

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

39 − = 31