„Grundsicherung“ im Alter und bei Erwerbsminderung: 6,8 Milliarden Euro

(BIAJ) Vor genau einem Jahr, am 2. Februar 2019 verbreitete das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eine „Information“ (Falschinformatioen) über die Entwicklung der Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung: „Grundsicherung im Alter: Kosten steigen auf fast sechs Milliarden Euro“ – „Die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind im vergangenen Jahr auf 5,9 Milliarden Euro gestiegen. Das waren knapp 500 Millionen Euro mehr als noch 2017.“ (siehe dazu u.a. die BIAJ-Kurzmitteilung vom 02.02.2019: hier1 und hier2) Warum eine oberflächliche Betrachtung der Erstattungen der Ausgaben der Träger der Sozialhilfe (bzw. Länder) für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung durch den Bund zu einer Falschmeldung über die Ausgaben für die (bzw. die Kosten der) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung führte, wird deutlich, wenn man sich die „100-Prozent-Erstattungen“ gemäß § 46a SGB XII durch den Bund seit 2014 ansieht (siehe die aktualisierte BIAJ-Tabelle) und die Änderungen des § 46a SGB XII (siehe unten).

2020 02 01 erstattungen des bundes grundsicherung im alter 2014 2019

Eine Fortsetzung der RND-Falschmeldung vom 02.02.2019 würde lauten: „Die Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind nach einem Anstieg um knapp 500 Millionen Euro in 2018 im vergangenen Jahr um knapp 900 Millionen auf 6,8 Milliarden Euro in 2019 gestiegen.“ Der sich aus den (vorläufigen) Abrechnungsergebnissen des Bundes ergebende rechnerische Anstieg in den beiden letzten abgeschlossenen Haushaltsjahren: 1,336 Milliarden Euro bzw. 24,4 Prozent mehr als in 2017.

Warum dies nicht den Anstieg der Ausgaben der Träger der Sozialhilfe bzw. der Länder für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in den vergangenen beiden Jahren darstellt, wird deutlich, wenn man sich die Änderungen des Absatz 3 in § 46a SGB XII („Erstattung durch den Bund“) ansieht:

Bis zum 31. Dezember 2015 lautete § 46a Absatz 3 SGB XII wie folgt:
„(3) Der Abruf der Erstattungen durch die Länder ist jeweils zum 15. März, 15. Juni, 15. September und 15. Dezember des jeweiligen Jahres zulässig. Soweit die Erstattung für Zahlungen geltend gemacht wird, die wegen des fristgerechten Eingangs beim Empfänger bereits am Ende eines Haushaltsjahres geleistet wurden, aber erst im nächsten Haushaltsjahr fällig werden, ist die für das folgende Haushaltsjahr geltende Erstattung maßgeblich.“

Vom 01. Januar 2016 bis zum 13. Juli 2018 lautete § 46a Absatz 3 SGB XII dann wie folgt:
„(3) Der Abruf der Erstattungen durch die Länder erfolgt quartalsweise. 2 Die Abrufe sind
1. vom 15. März bis 14. Mai,
2. vom 15. Juni bis 14. August,
3. vom 15. September bis 14. November und
4. vom 15. Dezember des jeweiligen Jahres bis 14. Februar des Folgejahres
zulässig (Abrufzeiträume). Werden Leistungen für Leistungszeiträume im folgenden Haushaltsjahr zur fristgerechten Auszahlung an den Leistungsberechtigten bereits im laufenden Haushaltsjahr erbracht, sind die entsprechenden Nettoausgaben im Abrufzeitraum 15. März bis 14. Mai des Folgejahres abzurufen. Der Abruf für Nettoausgaben aus Vorjahren, für die bereits ein Jahresnachweis vorliegt, ist in den darauf folgenden Jahren nach Maßgabe des Absatzes 1 jeweils nur vom 15. Juni bis 14. August zulässig.“

Und seit dem 14. Juli 2018 lautet § 46a Absatz 3 SGB XII wie folgt:
„(3) Der Abruf der Erstattungen durch die Länder erfolgt quartalsweise. Die Abrufe sind
1. vom 15. März bis 14. Mai,
2. vom 15. Juni bis 14. August,
3. vom 15. September bis 14. November und
4. vom 1. Januar bis 28. Februar des Folgejahres
zulässig (Abrufzeiträume). Werden Leistungen für Leistungszeiträume im folgenden Haushaltsjahr zur fristgerechten Auszahlung an den Leistungsberechtigten bereits im laufenden Haushaltsjahr erbracht, sind die entsprechenden Nettoausgaben im Abrufzeitraum 15. März bis 14. Mai des Folgejahres abzurufen. Der Abruf für Nettoausgaben aus Vorjahren, für die bereits ein Jahresnachweis vorliegt, ist in den darauf folgenden Jahren nach Maßgabe des Absatzes 1 jeweils nur vom 15. Juni bis 14. August zulässig.“

In Kürze: Die Erstattung durch den Bund wurde zeitlich verschoben, was insbesondere im Haushaltsjahr 2017, aber auch noch in 2018 zu wesentlich geringeren Ausgaben im Bundeshaushalt führte. (siehe BIAJ-Tabelle mit dem Soll-Ist-Vergleich) Oder in anderen Worten: Die Träger der Sozialhilfe bzw. die Länder müssen einen größeren Teil (ein Quartal) der tatsächlichen Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorfinanzieren (!) als noch vor 2017 (dem „Basisjahr“ für die RND-Falschmeldung vom 02.02.2019). Die jetzt durch das Bundesfinanzministerium für 2019 (vorläufig) berichteten Erstattungen in Höhe von 6,8 Milliarden Euro entsprechen (von kleineren Abweichungen abgesehen) den Ausgaben für die Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung im vierten Quartal 2018 und in den ersten drei Quartalen 2019, also erstmals wieder den Ausgaben in einem 12-Monatszeitraum. Dies galt nicht für die Erstattungen des Bundes im Haushaltsjahr 2018 und insbesondere nicht im Haushaltsjahr 2017.


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