„Angesichts des massiven Widerstands der Union und der Arbeitgeber sind die Ergebnisse zur Anhebung des Kurzarbeitergeldes (KUG) ein Erfolg, für den sich die Gewerkschaften in den letzten Wochen stark gemacht haben“. (DGB-Vors.Hoffmann)

Frage: Wo kommen die 39% im ZDF-Politbarometer für die CDU/CSU her ?

Neuigkeiten aus dem Land der Kurzarbeit: Über einen „hart errungenen Kompromiss der Koalition“ – und mindestens ein großes Fragezeichen

„Angesichts des massiven Widerstands der Union und der Arbeitgeber sind die Ergebnisse zur Anhebung des Kurzarbeitergeldes (KUG) ein Erfolg, für den sich die Gewerkschaften in den letzten Wochen stark gemacht haben“. Mit diesen Worten lässt sich der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann in einer kurz gehaltenen Pressemitteilung seiner Organisation zitieren, die unter diese bezeichnende Überschrift gestellt wurde: DGB begrüßt den hart errungenen Kompromiss der Koalition zur Kurzarbeit. Und ebenso bezeichnend ist der letzte Satz, der uns mit auf den rechten Weg gegeben wird: „Respekt gebührt auch der SPD, die diesen Kompromiss ermöglicht hat“, so der DGB-Chef.

Das hört sich doch mit Blick auf die vielen derzeit von Kurzarbeit betroffenen Menschen mehr als erfreulich an. Aber bevor man nun im Überschwang der warmen Worte aus der Gewerkschaftszentrale eine Flasche Sekt köpft, schauen wir doch erst einmal genauer hin, was die Bundesregierung in diesen überaus turbulenten Tagen tatsächlich beschlossen hat.

»Die Große Koalition hat sich in der Nacht auf ein weiteres Corona-Paket geeinigt, das der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans auf etwa zehn Milliarden Euro schätzt. „Es hat sich gelohnt, am Ende lange zusammenzusitzen“, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nach siebenstündigen Beratungen der Spitzen von CDU, CSU und SPD«, so diese Meldung: Union und SPD einigen sich auf höheres Kurzarbeitergeld. Und was genau ist herausgekommen? Die Kurzfassung geht so:

»Arbeitnehmer in Kurzarbeit dürfen vom 1. Mai bis zum Jahresende mehr dazuverdienen. Zudem wird das Kurzarbeitergeld befristet angehoben: Gestaffelt nach der Bezugsdauer soll es auf bis zu 80 Prozent und für Eltern auf bis zu 87 Prozent erhöht werden. Demnach wird ab dem vierten Monat des Kurzarbeitgeldbezuges 70 oder 77 Prozent, ab dem siebten Monat 80 oder 87 Prozent des Lohnausfalls gezahlt. Derzeit zahlt die Bundesagentur für Arbeit mit dem Kurzarbeitergeld 60 Prozent und für Eltern 67 Prozent des Lohnausfalls durch die Zwangspause.«

Das klingt wahrlich nach einem Kompromiss. Ende März 2020 hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund noch recht eindrücklich formuliert, was zu tun wäre angesichts der auch im Vergleich zum Krisenjahr 2009 explodierenden Kurzarbeit in Deutschland:

»Arbeitgeber und Bundesregierung (müssen sich) jetzt endlich bewegen und das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent anheben. Denn für viele tausend Beschäftigte, die nicht unter dem Schutz von aufstockenden Tarifverträgen stehen, bedeutet Kurzarbeit, mit 60 beziehungsweise 67 Prozent ihres bisherigen Nettolohns auszukommen, wobei nicht einmal die sonst gezahlten Zuschläge mit einberechnet werden. Bei den wenigsten Familien reicht das zum Leben und für die Miete. Wer als alleinstehender Beschäftigter vor der Krise nicht mindestens 2.750 Euro brutto pro Monat verdient hat, hat bei Kurzarbeit null – also einem Arbeitsausfall von 100 Prozent – einen Anspruch auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen. Die Hälfte aller Beschäftigten, rund 16,5 Millionen, verdient nur bis zu dieser Grenze und einem Teil davon droht jetzt der Gang zum Jobcenter.« (Quelle: Ohne Absturz durch die Krise – Kurzarbeitergeld jetzt anheben, 31.03.2020)

Um wie viele Menschen geht es hier eigentlich?

Die bisherige Rekord-Inanspruchnahme der Kurzarbeit im Krisenjahr 2009, da waren es in der Spitze 1,4 Millionen Menschen, im Jahresdurchschnitt gut 1,1 Million Kurzarbeiter, wird im Jahr 2020 ganz erheblich in den Schatten gestellt werden. Was wir derzeit von offizieller Seite (nur) erfahren ist die Zahl der Betriebe, die Kurzarbeit angemeldet haben (nicht aber die Zahl der von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer) – und die ist angesichts der Größenordnung schon mehr als beeindruckend: »Von Mitte März bis in die erste April-Woche haben 650.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet – mehr als zehn Mal so viel wie auf dem Höhepunkt der Finanz- und Weltwirtschaftskrise 2009. Das waren fast doppelt so viele Unternehmen wie im gesamten Zeitraum der Jahre von 2008 bis Februar 2020.« So die Angaben in dem Beitrag Die Kurzarbeit als Sicherheitsnetz gegen einen Absturz in die Arbeitslosigkeit – mit einigen Löchern vom 14. April 2020. Nur einen Tag später meldete die Bundesagentur für Arbeit: Zahl der Anzeigen für Kurzarbeit auf 725.000 angestiegen. 725.000 Betriebe. »Die Anzeigen kommen aus nahezu allen Branchen. Schwerpunkte sind weiterhin der Einzelhandel und das Gastgewerbe. Für wie viele Personen insgesamt die Betriebe Kurzarbeit angemeldet haben, lässt sich anhand der Daten derzeit nicht ermitteln.« Und die Zahl der Betriebe wurde dann kurze Zeit später etwas nach unten korrigiert: »Bis zum 20.04.2020 haben rund 718.000 Betriebe bei den Agenturen für Arbeit Kurzarbeit angemeldet. In den Arbeitsagenturen gehen weiterhin Anzeigen zur Kurzarbeit ein.« Die geringfügige Reduktion von 725.000 auf 718.000 Betriebe geht auf einige Doppelerfassungen von Kurzarbeitsanzeigen zurück, die man nun ausgerechnet hat.

Um das Ausmaß der Kurzarbeit auf Seiten der Betriebe zu verstehen, muss man zur Kenntnis nehmen: »Mittlerweile hat nahezu jeder dritte Betrieb in Deutschland, in dem mindestens ein Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, Kurzarbeit angezeigt.« Und von solchen Betrieben gibt es in Deutschland mehr als 2,2 Millionen.

Zu sogar noch höheren Werten kommen nicht-amtliche Umfrageergebnisse: »Hunderttausende Betriebe haben in der Coronakrise bereits Kurzarbeit beantragt. Wie stark die Pandemie Deutschlands Wirtschaft bereits infiziert hat, zeigt nun auch eine Umfrage des Ifo-Instituts. Die Hälfte der deutschen Unternehmen greift demnach bereits auf diese Hilfe zurück. Hinzu kommt: Fast ein Fünftel der deutschen Unternehmen plant dem Institut zufolge im Zuge der Viruskrise einen Stellenabbau: 18 Prozent der Firmen wollen Mitarbeiter entlassen oder befristete Verträge nicht verlängern«, so diese Meldung: Die Hälfte der deutschen Firmen hat Kurzarbeit eingeführt vom 23. April 2020. Der Leiter der Ifo-Befragungen, Klaus Wohlrabe, wird mit diesen Worten zitiert: »Im Handel befinden sich Mitarbeiter derzeit bei 55 Prozent der Unternehmen in Kurzarbeit, in der Industrie 53 Prozent, bei den Dienstleistern 48 Prozent und auf dem Bau nur 37 Prozent.«

Und wie viele Menschen betrifft das nun, denn bislang ging es hier erst einmal nur um die Betriebe, die Kurzarbeit angezeigt haben – und darunter sind natürlich auch sehr große Unternehmen mit tausenden Beschäftigten? Noch weiß man das nicht, die Bundesagentur für Arbeit hat keine entsprechenden Daten veröffentlicht, weil die Zahl der Kurzarbeiter am aktuellen Rand auch von der Behörde nur geschätzt werden kann.

An anderer Stelle wird man dann mit solchen Zahlen konfrontiert: »Vier Millionen Arbeitnehmer in Deutschland sind infolge der Coronakrise von Kurzarbeit betroffen. Das ergaben Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung auf Basis einer Onlineumfrage unter rund 7600 Beschäftigten«, so der Artikel Vier Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Der bezieht sich auf diese Mitteilung aus der Hans-Bökcler-Stiftung: Corona-Krise: 14 Prozent in Kurzarbeit – 40 Prozent können finanziell maximal drei Monate durchhalten – Pandemie vergrößert Ungleichheiten. Datengrundlage ist eine Online-Befragung, für die im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung 7.677 Erwerbstätige interviewt wurden. Die von Kantar Deutschland durchgeführte Befragung bildet die Erwerbspersonen in Deutschland im Hinblick auf die Merkmale Geschlecht, Alter, Bildung und Bundesland repräsentativ ab – mit allen Einschränkungen, die man im Hinterkopf behalten sollte, was die Repräsentativität von Online-Umfragen angeht.

Zu den Ergebnissen: »14 Prozent der zwischen dem 3. und dem 14. April Befragten in abhängiger Beschäftigung gaben an, momentan in Kurzarbeit zu sein. Rechnet man diese Zahl auf die Gesamtzahl der Beschäftigten hoch, entspräche dies ca. 4 Millionen Beschäftigte, die momentan in Kurzarbeit sind. Beschäftigte in niedrigeren Einkommensgruppen sind häufiger in Kurzarbeit als Arbeitnehmer mit höherem Einkommen … Von den Befragten in Kurzarbeit erklärt rund ein Drittel (32 Prozent), dass ihr Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld aufstocke, gut die Hälfte (52 Prozent) berichtet hingegen, es gebe in ihrem Betrieb keine Aufstockung … Personen, die in einem Unternehmen mit Tarifvertrag arbeiten, erhalten nach der Umfrage mehr als doppelt so häufig (45 Prozent) eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes wie Personen, die nicht nach einem Tarifvertrag bezahlt werden (19 Prozent).« Interessant aus sozialpolitischer Sicht sind dann auch diese Befunde: »Von den Befragten, die in Kurzarbeit sind und keine Aufstockung erhalten, geben 40 Prozent an, in dieser Situation maximal drei Monate finanziell durchhalten zu können.« Und es gibt auch eine Geschlechterdimension: »Während männliche und weibliche Beschäftigte ähnlich oft von Kurzarbeit betroffen sind, haben spürbar mehr Frauen (24 Prozent) als Männer (16 Prozent) die Arbeitszeit auf anderem Wege reduziert. Sie sind deutlich häufiger freigestellt und befinden sich geringfügig häufiger im krisenbedingten Urlaub. Leben Kinder im Haushalt, übernehmen ganz überwiegend Frauen den größten Teil der nach Kita- oder Schulschließungen anfallenden Betreuungsarbeit … Und auch von den Elternpaaren, die sich die Erziehungsarbeit zuvor ungefähr gleich aufgeteilt haben, tun das nur noch rund 62 Prozent auch während der Krise.«

Die bisherige Ersatzrate mit einigen tarifvertraglich geregelten Ausreißern nach oben soll nun durch ein prozentuales und zeitliches Stufenmodell ersetzt werden

Vereinfacht gesagt hat sich die bisherige Debatte über die Höhe des Kurzarbeitergeldes zwischen den Polen Beibehaltung des Status quo mit der generellen Ersatzrat von 60/67 Prozent Netto-Lohnersatz (in einigen Branchen angereichert um tarifvertragliche Aufstockungsregelungen, vgl. hierzu die Übersicht in dem Beitrag Die Kurzarbeit als Sicherheitsnetz gegen einen Absturz in die Arbeitslosigkeit – mit einigen Löchern vom 14. April 2020) und einer generellen Anhebung des Kurzarbeitergeldes auf 80 Prozent bewegt. Insofern ist das am Anfang dieses Beitrags beschriebene Kompromissmodell der Versuch, sich zwischen diesen beiden Polen zu bewegen. In den ersten drei Monaten bleibt es, wie es heute schon ist (also 60 Prozent bzw. wenn ein Kind da ist 67 Prozent), dann geht der Satz ab dem 4. Monat auf 70 bzw. 77 Prozent, um dann ab dem 7. Monat 80 bzw. 87 Prozent zu erreichen. Die Regelung soll ab dem 1. Mai gelten und wird befristet bis Ende 2020.

Wenn man sich dieses Stufenmodell anschaut, dann könnte man der These folgen, dass hier auf der einen Seite signalisiert wird, wir bewegen uns in Richtung Anhebung des Kurzarbeitergeldes, aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das erst am Mai gelten soll und dann die ersten drei Monate alles beim Alten bleibt, hofft man, dass der Aufstockungsfall in vielen Fällen gar nicht greifen muss, weil dann die Leute wieder aus der Kurzarbeit raus sind.

Ein großes Fragezeichen: Wo bleibt die dringend erforderliche Aufstockung des Kurzarbeitergeldes für die vielen Betroffenen im Niedriglohnsektor?

Natürlich spiegeln sich die gegebenen Ungleichheitsstrukturen auch beim Kurzarbeitergeld und sie potenzieren sich dort zugleich. Denn schaut man auf diejenigen, die bereits jetzt eine Aufstockung ihrer Kurzarbeitergelder seitens des Arbeitgebers bekommen, dann sind das überwiegend Beschäftigte, die im mittleren oder oberen Lohnbereich unterwegs sind. Aber die vielen Niedriglohnbeschäftigten, die dann auch noch überdurchschnittlich von Kurzarbeit betroffen sind, arbeiten in Branchen, in denen es zumeist keine tarifvertraglich vereinbarten Aufstockungen gibt.

Um das am Beispiel der in diesen Tagen vielzitierten, weil besonders hart vom Shutdown getroffenen Gastronomie-Branche zu illustrieren: Die Gewerkschaft NGG nennt dieses Beispiel einer Köchin in Berlin: »Vor der Corona-Krise hatte eine Köchin (keine Kinder, Steuerklasse I) einen Nettolohn von ca. 1.531 Euro pro Monat. In Kurzarbeit Null bekommt sie nur noch rund 918 Euro pro Monat (60% des letzten Netto, Kurzarbeit Null).« Und der DGB ergänzt: Angestellte in der Gastronomie, deren Arbeitsplätze derzeit vollständig geschlossen sind, müssen derzeit mit 720 Euro im Monat auskommen, Gebäudereiniger mit 780 Euro. Besonders schwer betroffen sind Angestellte, die bisher in Teilzeit beschäftigt waren. Von ihnen mussten laut DGB nun viele Hartz IV beantragen.

Auf alle Fälle wäre eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes für die vielen, die in diesen Einkommensbereichen unterwegs sein müssen, eine Minimalerwartung aus sozialpolitischer Sicht. Und das ist nicht nur eine „Wünsch-Dir-was“-Haltung, sondern genau dieser Ansatz einer besonderen Berücksichtigung des erheblichen finanziellen Drucks bei den vielen im Niedriglohnsektor wurde beispielsweise in Österreich schon umgesetzt.

Von Österreich lernen …

Ein Blick über den nationalen Tellerrand kann gerade dem „Weltmeister“ der Kurzarbeit hilfreiche Inspirationen verschaffen: »In einigen Ländern wie z. B. Frankreich, Litauen, Polen, Portugal und Rumänien existiert auch eine absolute Untergrenze für das Kurzarbeitergeld, die durch den gesetzlichen Mindestlohn fixiert wird. Eine solche Regelung soll vor allem Beschäftigten im Niedriglohnsektor während der Kurzarbeit ein bestimmtes Mindesteinkommen sichern«, so Thorsten Schulten und Torsten Müller in ihrer Übersichtsarbeit Kurzarbeitergeld in der Corona-Krise. Aktuelle Regelungen in Deutschland und Europa (2020). Und die beiden heben die krisenbedingte Regelung das Kurzarbeitergeld in Österreich betreffend hervor:

Zum österreichischen Modell und der (natürlich auch bei uns in Deutschland immer mitlaufenden) „Kosten-Diskussion“ vgl. auch den Beitrag Corona-Kurzarbeit – kostet unter dem Strich wenig und bringt viel von Jürgen Figerl, Dennis Tamesberger und Simon Theurl.

… oder (wenigstens) einem Vorschlag der Bundestagsfraktion der Grünen folgen

Auch die Grünen haben sich Gedanken gemacht und die besondere Problematik der vielen Menschen im unteren Einkommensbereich in das Zentrum ihrer Vorschläge gestellt. »Das Kurzarbeitergeld muss verbessert werden, damit die Menschen nicht in die Armut abgleiten, nur weil aufgrund der Corona-Pandemie Kurzarbeit unumgänglich ist. Ein verbessertes Kurzarbeitergeld verhindert zudem, dass die Zahl der Anträge auf aufstockendes Arbeitslosengeld II steigt. Das ist wichtig, damit die Jobcenter jetzt in der Krise nicht zusätzlich belastet werden.« So der Hinweis in einem Autorenpapier aus der Bundestagsfraktion:

➔ Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (2020): Kurzarbeitergeld sozial gerecht ausgestalten, Berlin, 08.04.2020

Die Vorschläge der Grünen beinhalten diese beiden Komponenten:
➔ „Kurzarbeitergeld Plus“ – nach Einkommen gestaffeltes Kurzarbeitergeld
➔ Kurzarbeitergeld für Auszubildende

Zum „Kurzarbeitergeld Plus“: »Das Kurzarbeitergeld soll für kleine bis mittlere Einkommensbereiche angehoben werden. Wer Vollzeit mit Mindestlohn gearbeitet hat, soll den maximalen Zuschlag erhalten. Dieser Zuschlag sinkt dann mit zunehmendem Einkommen ab. Konkret heißt das: Bei Beschäftigten mit einem Nettoeinkommen unter 2.300 Euro wird das Kurzarbeitergeld erhöht und zwar umso stärker, von 60 Prozent auf 90 Prozent, je geringer das Einkommen ist. Den Höchstsatz von 90 Prozent erhalten Beschäftigte bis zu einem Nettoentgelt von 1.300 Euro. Wer wenig verdient, erhält im Vergleich zu heute ein höheres Kurzarbeitergeld und wird so vor Armut geschützt. Wie beim jetzigen Kurzarbeitergeld erhalten Beschäftigte mit Kindern jeweils 7 Prozentpunkte mehr.«

Und die Grünen berücksichtigen – sehr wichtig – ausdrücklich auch die Auszubildenden und schlagen ein Kurzarbeitergeld für Auszubildende vor: Für Auszubildende soll zu jedem Zeitpunkt Kurzarbeitergeld in Höhe von 100 Prozent beantragt werden können. Die Pflicht vor Antragstellung sechs Wochen lang die Ausbildungsvergütung zu tragen, entfällt.

Man erkennt, dass das Modell der Grünen deutlich „defensiver“ angelegt ist als beispielsweise das österreichische Modell, aber aufgrund der Fokussierung auf die unteren Einkommen würde dort eine spürbare Verbesserung der Einkommenslage hergestellt werden können – und dort wird wirklich jeder Cent gebraucht.

In ihrer Begründung greift die grüne Bundestagsfraktion bereits vorwegnehmend die Diskussion über die finanziellen Belastungen für die Arbeitslosenversicherung auf, in dem ausgeführt wird, die »vorgeschlagene, gestaffelte Erhöhung des Kurzarbeitergelds wirkt bis zum mittleren Einkommensbereich und begrenzt auf diese Weise die finanzielle Belastung der Arbeitslosenversicherung.«
Und zur zweiten Komponente bekommt man diesen Begründungshinweis: So haben »manche vom Shutdown betroffene kleine und mittelständige Unternehmen Probleme, die Ausbildungsvergütungen in der Krise weiter zu finanzieren. Denn Auszubildende sind in keinem Arbeits-, sondern in einem schutzbedürftigen Lern- bzw. Ausbildungsverhältnis. Für sie kann nach jetziger Rechtslage erst nach einer Entgeltfortzahlung von 6-Wochen Kurzarbeitergeld beantragt werden. Es wäre aber fatal, wenn Unternehmen aus krisenbedingten Gründen Auszubildende entlassen müssten. Dann würden Auszubildende mindestens ein ganzes Jahr verlieren, bevor sie ihre Ausbildung beenden können. Das Ende einer Ausbildung darf keine Option sein.«

Und die Grünen stehen an dieser Stelle nicht allein – die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) hat vor dem nun vereinbarten „Kompromiss“ innerhalb der Bundesregierung ausdrücklich für ein Mindest-Kurzarbeitergeld plädiert: »Der Mindestlohn liegt bei ca. 1.620 brutto, das sind ca. 1.200 Euro netto, und dieser Betrag würde auch dem Mindest-Kurzarbeitergeld entsprechen.«

Fazit: Wenn man schon nicht den österreichischen Weg geht, dann hätte man wenigstens die konkreten partiellen Verbesserungsvorschläge der Grünen aufgreifen sollen. Denn das Ziel sollte sein, so schnell wie möglich die finanzielle Lage vor allem der überdurchschnittlich von Kurzarbeit betroffenen Niedriglöhner zu verbessern – und eben nicht eine schrittweise Anhebung für alle, die aber erst nach einigen Monate Wartezeit, wie wir das nun aber bekommen haben. Vor dem Hintergrund der eingangs zitierten Lobesworte des DGB über den Koalitionskompromiss als „ein Erfolg“ und dem „Respekt für die SPD“, die das ermöglicht habe, sollten manche in der Gewerkschaftsspitze nochmal nachdenken, was mindestens hätte herauskommen müssen, um ein spürbares Wohlwollen zu rechtfertigen. Nur mal so als Anregung.

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Ein Kommentar

  • Kurt Manich

    Aber warum geht man nicht den österreichischen Weg? Die jetzt gefundene Lösung ist zwar unter den gegebenen Umständen als Erfolg zu werten, aber für Geringverdiener können 3 Monate mit nur 60%, bzw. 6 Monate mit 70% ganz schön lang werden.

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