„Für einen Schüler zwischen sechs und 13 Jahren sieht das Gesetz demnach 27,50 Euro monatlich für »Nachrichtenübermittlung« vor, die von dem Gesamtbetrag von 308 Euro abgezweigt werden sollen. Hinzu kommen 80 Cent für den Posten »Bildung«.“

Armutspolitik in der BRD

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Fehlender Zugang zu digitalem Lernen: Arbeitsministerium findet, dass Computer problemlos aus dem Hartz-IV-Satz angespart werden können
Von Susan Bonath junge welt 11.Mai 2020

Fast zwei Monate Homeschooling haben für viele Schüler verheerende Folgen. Denn armen Familien fehlen die Mittel für ausreichenden Zugang zu digitalem Lernen. Einem neuen Gesetz zufolge können sie sich zwar nun an die Schule wenden, die ihnen aus Bundesmitteln einen Zuschuss von 150 Euro pro Kind gewähren muss. Für alle notwendigen Mittel, wie Computer und Internetzugang, reicht das aber nicht. Thomas Wasilewski, erwerbsunfähiger Vater dreier schulpflichtiger Kinder aus Nordrhein-Westfalen, hatte sich mit der Bitte um Hilfe an die zuständigen Ministerien auf Landes- und Bundesebene gewandt. Im Haus von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) versteht man das Problem nicht.

Hartz-IV-Bezieher müssten die Kosten eben aus ihrem Regelsatz ansparen, teilte dieses ihm jetzt mit.

Wasilewski hält es, wie er den Ressorts am 14. April geschrieben hatte, »für unglaublich und beunruhigend, dass es kaum Aufsehen erregt, wenn Kindern aus armen Familien das digitale Homeschooling verwehrt wird«. Er kritisierte »eine Kultur der Gleichgültigkeit«, die das Solidaritätsprinzip für obsolet erklärt habe. Er betonte, dass es vielen Kindern und ihren Familien ähnlich gehe. Alleine an seinem Wohnort Mönchengladbach sei fast ein Drittel aller Kinder von Hartz IV betroffen. Auch in ihrem Sinne habe er beim Jobcenter die Übernahme der Kosten für nötige Hard- und Software beantragt. Doch dieses lehnte das Ansinnen ab. Mit einem Eilantrag scheiterte Wasilewski auch vor dem Sozialgericht Düsseldorf. Er habe nicht hinreichend bewiesen, dass ein digitaler Zugang zwingend erforderlich sei.

Im Gespräch mit jW am Freitag voriger Woche rügte Wasilewski zunächst den laxen Umgang der Politik mit den drängenden Problemen, die mindestens zwei Millionen Kinder akut betreffen.

Das NRW-Landesministerium für Arbeit und Soziales unter Karl-Josef Laumann (CDU) habe bislang gar nicht reagiert. Das sei besonders ärgerlich, weil sich die Situation für ärmere Kinder mit fortgesetzter Heimbeschulung immer mehr zuspitze.

»Wie sollen denn die Kinder wochenlangen Heimunterricht, von dem sie weitgehend ausgeschlossen sind, in kurzer Zeit nachholen?« so Wasilewski. In seiner Wohngegend betreffe das beinahe jedes dritte Kind. Er komme nur über Dritte an die Aufgaben, die über einen Internetserver bereitgestellt würden. Und er sieht ein weiteres Problem: »Eltern sollen zu Hause dann Fachlehrer ersetzen, und das können sie in der Regel gar nicht leisten.« Ebenfalls kritisch bewertet er das neue Gesetz. Denn um an diese Minibeihilfe zu kommen, müssten sich die Kinder in der Schule »als Hartz-IV-Bezieher bloßstellen«. Das, so Wasilewski, »trägt nicht zur Integration von armen Schülern bei, vor allem wenn sie einen Migrationshintergrund haben«.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) erklärte in seiner Antwort vom 4. Mai, in den Regelsätzen seien »bereits die Bedarfe für Kommunikationsmittel berücksichtigt«. Für einen Schüler zwischen sechs und 13 Jahren sieht das Gesetz demnach 27,50 Euro monatlich für »Nachrichtenübermittlung« vor, die von dem Gesamtbetrag von 308 Euro abgezweigt werden sollen. Hinzu kommen 80 Cent für den Posten »Bildung«. In Betracht komme zudem, so das BMAS, »bei der Schule nachzufragen, inwieweit dort ein Computer zur Verfügung gestellt werden kann«.

Außerdem hätten die Eltern zu prüfen, ob die Schulen auch Lernmaterial in Papierform ausgeben könnten.

Wasilewski hält das für »realitätsfremd«. Sozial benachteiligte Menschen hätten keine Lobby, mahnte er. Der Erwerbslosenverein Tacheles hatte bereits vor einigen Wochen eine Kampagne unter dem Motto »Schulcomputer sofort« gestartet. Dieser haben sich lokale Organisationen wie der Kölner Flüchtlingsrat und die Ratsfraktion der Partei Die Linke aus Wuppertal sowie 13 Sozialrechtsanwälte angeschlossen.

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