Mehrheit der Arbeitnehmer verdient unterdurchschnittlich mit entsprechenden Folgen für die Rente.

Gesetzliche Rentenversicherung: Wenn die Mehrheit der Arbeitnehmer unterdurchschnittlich verdient, dann ist die „Standardrente“ für viele eine Illusion

Die Rentenformel in Deutschland hat ihren eigenen Charme und sie ist vor allem eigentlich ganz einfach gestrickt: Man nimmt die mit individuellen Entgeltpunkten bewerteten Jahre, in denen die in der Gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten Beiträge aus ihren Lohneinkommen gezahlt haben und multipliziert die Jahre mit dem jeweils aktuellen Rentenwert – unter der Voraussetzung, dass der oder die Betroffene ganz normal mit dem gesetzlichen Renteneintrittsalter in den Ruhestand gewechselt ist (wenn das vorher passiert, dann gibt es lebenslange Abzüge von der auszuzahlenden Rente; in der Rentenformel wird das über den Zugangsfaktor abgebildet, der normalerweise 1, aber bei vorzeitigem Renteneintritt < 1 ist).

Nehmen wir mal an, jemand ist wie ein idealtypischer Rentenfall durchs Leben gewandert und hat 45 lange Jahre im brav geschafft und Beiträge an die Rentenversicherung abgeführt. Nicht ein paar Beitrags-Euros, sondern er oder sie hat es geschafft, in jedem dieser 45 Jahre immer genau das durchschnittliche Arbeitsentgelt der Rentenversicherten zu verdienen. Wie hoch das liegt? Also im laufenden Jahr wären das (vorläufig) 40.551 Euro, das ist ein Brutto-Monatsgehalt von 3.379 Euro. Hier werden zahlreiche Versicherte schon mehr als nervös, wenn sie an die eigenen, realen Brutto-Gehälter denken. Aber bleiben wir bei unserem Ideal-Versicherten, denn wenn der das 45 Jahre geschafft hat, dann gibt es gegenwärtig bei einem aktuellen Rentenwert von 34,19 Euro eine Brutto-Monatsrente von 1.538,55 Euro, unter Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag (ohne kassenindividuelle Beitragszuschläge) kommt man auf eine Netto-Monatsrente (ohne Berücksichtigung einer eventuellen Besteuerung) von 1.370,85 Euro. Für ein so langes und immer durchschnittliches Versichertenleben, wobei man berücksichtigen muss, dass der Durchschnitt ziemlich hoch hängt.

Das kann man an den aktuellsten Zahlen der Deutschen Rentenversicherung illustrieren. Im Jahr 2018 gab es fast 32 Millionen Beschäftigte (ohne Beitragsbesonderheiten), die in die Kasse der Gesetzlichen Rentenversicherung eingezahlt haben. Die Abbildung verdeutlicht die Verteilung der von diesen Beschäftigten erzielten Jahresentgelte. Bis zur Beitragsbemessungsgrenze von damals 78.000 Euro pro Jahr in Westdeutschland bzw. 69.600 Euro im Osten müssen Beiträge abgeführt werden (dafür gäbe es dann maximal gut zwei Entgeltpunkte für ein solches Beitragsjahr).

2018 lag das sozialversicherungspflichtige Durchschnittsjahresgehalt bei knapp 37.900 Euro. Umgerechnet auf den Monat entsprach dies einem Bruttomonatsverdienst von 3.158 Euro. Nun werden an dieser Stelle viele Beschäftigte mehr als irritiert sein, wenn sie an ihre tatsächlichen Monatsverdienste denken, die oft weit unter dem genannten Betrag liegen. Und das ist nicht nur ein höchst subjektiver Einzelfalleindruck, sondern spiegelt die Situation der meisten Beschäftigten wieder – denn die liegen im Regelfall unter dem Durchschnittswert. Und das bedeutet bei der gegebenen Rentenformel eben, dass man für ein Beitragsjahr eben nicht einen Entgeltpunkt bekommt, sondern nur 0,8 oder 0,5 oder noch weniger, je nach der individuellen Verdienstrelation.

Die Zahlen sind ernüchternd: Von den knapp 32 Millionen Versicherten insgesamt verdienten etwa 20 Millionen rentenversicherten Arbeitnehmern und Selbstständigen weniger als das sozialversicherungspflichtige Durchschnittsjahresgehalt von seinerzeit knapp 37.900 Euro. Das waren etwa 63 Prozent der knapp 32 Millionen registrierten Versicherten. Dazu auch dieser Beitrag: Mehrheit der Arbeitnehmer verdient unterdurchschnittlich. Etwa 6,4 Millionen Beschäftigte kamen 2018 den Angaben zufolge auf einen Jahresverdienst von unter 15.000 Euro, mit dem ein Rentenanspruch von weniger als 0,4 Entgeltpunkten erworben wird.

Und wie sieht es „oben“ aus? »Die neuen Daten der Rentenversicherung machen auch deutlich, dass nur ein vergleichsweise kleiner Teil der versicherungspflichtig Beschäftigten hierzulande den oberen Einkommensgruppen angehört. Während jeweils mehr als 3,2 Millionen Arbeitnehmer im Jahr 2018 in den Gehaltsgruppen zwischen 20.000 und 25.000 Euro sowie zwischen 25.000 und 30.000 Euro Jahreseinkommen lagen, verdienten etwa 850.000 Gutverdiener zwischen 70.000 und 77.500 Euro. Weitere 800.000 Arbeitnehmer kamen auf ein Jahresgehalt zwischen 65.000 und 70.000 Euro.
Im Jahr 2018 lag die Höchstgrenze, bis zu der von der Rentenversicherung Beiträge einbehalten werden („Beitragsbemessungsgrenze“), bei 78.000 Euro in den alten und 69.600 Euro in den neuen Ländern. Etwa 1,5 Millionen Frauen und Männer, das sind etwa 4,7 Prozent der Rentenversicherten, kamen nach Angaben der Rentenversicherer auf ein Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Das sichert den Betroffenen einen Rentenanspruch von gut zwei Entgeltpunkten pro Jahr.«

Fazit: Für Millionen Arbeitnehmer im unteren Bereich der Einkommensverteilung kumulieren sich die Risiken. Die Beschäftigten dort verdienen nicht nur deutlich unter dem Durchschnittsentgelt, sie arbeiten auch überdurchschnittlich oft in Branchen und Unternehmen, in denen es keine betriebliche Altersvorsorge gibt und das laufende Einkommen dieser Menschen ist oftmals so niedrig, dass es von den laufenden Kosten der Lebensführung wie beispielsweise Miete, Strom, Benzin und Lebensmittel aufgefressen wird, so dass auch keine private Vermögensbildung in nennenswertem Umfang betrieben werden kann. Viele von ihnen werden im Alter überwiegend und ausschließlich auf die Leistungen aus der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung angewiesen sein. Deren Leistungen zugleich in den vergangenen Jahren deutlich abgesenkt wurden. Und man erkennt an den Daten auch die weiter existierenden Geschlechterunterschiede, denn die Frauen sind in dem unteren Einkommensbereich immer noch überdurchschnittlich stark vertreten.

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