Deutschland weist einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa auf

Deutschland weist einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa auf:

Einführung des Niedriglohnbereichs ein politisch gewollter Prozess seit der Regierung Schröder/Fischer !

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Institut für Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen

Viele Niedriglohnbeschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen sowie Einzelhandel

Kurz gefasst:

  • Im Jahr 2018 arbeiteten knapp 22% der Beschäftigten und somit rund 7,8 Mio. Menschen zu Stundenlöhnen die unterhalb von 11,21 € (Niedriglohnschwelle) lagen. Erstmals seit dem Jahr 2012 ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten an allen Beschäftigten leicht zurückgegangen.
  • Die Niedriglohnquote für Deutschland insgesamt verdeckt jedoch, dass sich das Risiko ungleich verteilt, bspw. nach Ost- und Westdeutsch-land, Personenmerkmalen oder Art des Beschäftigungsverhältnisses – aber auch nach Branchen. Betrachtet man, wie viele Beschäftigte innerhalb einer Branche zum Niedriglohn arbeiten, dann war das Risiko, für einen Niedriglohn tätig zu sein, im Gastgewerbe im Jahr 2018 mit etwa 57% der Beschäftigten weitaus höher als in den anderen betrachteten Branchen. An zweiter Stelle stand der Einzelhandel, in dem mehr als ein Drittel aller Beschäftigten einen Niedriglohn erhielten. An dritter Stelle folgten die unternehmensnahen Dienstleistungen mit einem Niedriglohnanteil von gut 30%. Im Vergleich zu 2014 ist das Niedriglohnrisiko in allen fünf Branchen zurückgegangen.
  • Von den Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland im Jahr 2018 waren etwa jeweils 16% im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Einzelhandel, 10% in unternehmensnahen Dienstleistungen (u.a. Wach- u. Sicherheitsdienste, Reinigung von Gebäuden, Arbeitnehmerüberlassung), ca. 8% im Gastgewerbe und etwa 6% im Bereich Erziehung und Unterricht tätig. In diesen fünf Branchen waren zusammen genommen knapp 56% aller Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland zu finden.
  • Gegenüber 2014 haben sich in der Rangfolge der Branchen hinsichtlich ihres Anteils am Niedriglohnsektor Verschiebungen ergeben. Die Anteile des Gesundheitswesens und der unternehmensnahen Dienstleistungen am Niedriglohnsektor sind gestiegen, während sie im Einzel-handel und im Gastgewerbe gesunken sind. Teilweise lässt sich dies mit den veränderten Anteilen an der Gesamtbeschäftigung erklären. Aber auch die Veränderung des branchenspezifischen Niedriglohnrisikos ist von Bedeutung.
  • Mit Blick auf den aktuell häufig bemühten Begriff der „systemrelevanten“ Tätigkeiten bzw. Branchen bestätigt sich, dass ein nennenswerter Teil der hier Beschäftigten zu niedrigen Löhnen arbeitet. Hinzu kommen schlechte Arbeitsbedingungen und geringe Wertschätzung für ihre Tätigkeiten.
  • Um dauerhafte Verbesserungen zu erreichen, genügen jedoch die aktuellen Bekundungen von Wertschätzung – sei es Klatschen oder Prämien-Zahlungen –, so richtig und wichtig sie auch seien mögen, nicht. Es müsste insbesondere bei der Stärkung des Tarifsystems angesetzt werden, um auch – aber nicht nur – in den aktuell vielbeachteten „systemrelevanten“ Branchen langfristig Verbesserungen zu erreichen.

Hintergrund

Als Niedriglöhne gelten Bruttoarbeitsentgelte in der Stunde, die niedriger liegen als zwei Drittel des mittleren Stundenlohnes (Median). Die Niedriglohnschwelle im Jahr 2018 betrug in Deutschland 11,21 € pro Stunde. Knapp 22 % der Beschäftigten und somit rund 7,8 Mio. Menschen arbeiteten zu Stundenlöhnen die unterhalb dieses Wertes lagen. Erstmals seit dem Jahr 2012 ist der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten an allen Beschäftigten leicht zurückgegangen (vgl. Abbildung III.32).

Die Niedriglohnquote für Deutschland insgesamt verdeckt jedoch, dass sich das Risiko ungleich verteilt bspw. nach Ost- und Westdeutschland, Personenmerkmalen oder Art des Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Abbildungen III.32 und III.33). Auch eine Betrachtung nach Branchen zeigt, dass nicht in allen Niedriglöhne von gleicher Bedeutung sind. Dargestellt sind die Branchen, in denen die absolut meisten Niedriglohnbeschäftigten tätig sind.

Von den Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland im Jahr 2018 waren 16,1% im Gesundheits- und Sozialwesen, 16,0% im Einzelhandel, 10% in unternehmensnahen Dienstleistungen (u.a. Wach- u. Sicherheitsdienste, Reinigung von Gebäuden, Arbeitnehmerüberlassung), 8,1% im Gastgewerbe und 5,7% im Bereich Erziehung und Unterricht tätig. In diesen fünf Branchen waren zusammen genommen knapp 56% aller Niedriglohnbeschäftigten in Deutschland tätig. Mögen anteilig besonders viele Niedriglohnbeschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen tätig sein, bedeutet dies nicht, dass das Niedriglohn-risiko in dieser Branche am höchsten ist. Betrachtet man, wie viele Beschäftigte innerhalb einer Branche zum Niedriglohn arbeiten, dann war das Risiko, für einen Niedriglohn zu arbeiten, im Gastgewerbe im Jahr 2018 mit 57,4% der Beschäftigten weitaus höher als in den anderen Branchen.

An zweiter Stelle stand der Einzelhandel, in dem mehr als ein Drittel aller Beschäftigten (34,8%) einen Niedriglohn erhielten. An dritter Stelle folgten die unternehmensnahen Dienstleistungen mit einem Niedriglohnanteil von gut 30%.

Im Gesundheitswesen (19,1%) und im Bereich Erziehung und Unterricht (11,9%) arbeiteten im Jahr 2018 demgegenüber deutlich weniger Beschäftigte für einen Niedriglohn. Im Vergleich zu 2014 ist das Niedriglohnrisiko in allen fünf Branchen zurückgegangen. Gegenüber 2014 haben sich in der Rangfolge der Branchen hinsichtlich ihres Anteils am Niedriglohnsektor Verschiebungen ergeben.

Die Anteile des Gesundheitswesens und der unternehmensnahen Dienstleistungen am Niedriglohnsektor sind gestiegen, während sie im Einzelhandel und im Gastgewerbe gesunken sind. Dies lässt sich mit den veränderten Anteilen an der Gesamtbeschäftigung sowie der branchenspezifischen Veränderung des Niedriglohnrisikos erklären. Der Anteil des Gesundheitswesens an der Gesamtbeschäftigung ist gestiegen. Somit ist trotz eines sinkenden Niedriglohnrisikos auch der Anteil am Niedriglohnsektor gestiegen.

Die Anteile des Einzelhandels und des Gastgewerbes an der Gesamtbeschäftigung sind zurückgegangen. Dies hat, zusammen mit einem Rückgang des Niedriglohnrisikos, zu einem Rückgang des Anteils dieser Branchen am Niedriglohnsektor geführt. Die Zunahme des Anteils der unternehmensnahen Dienstleistungen am Niedriglohnsektor dürfte mit dem recht schwachen Rückgang des Niedriglohnrisikos im Vergleich zu anderen Branchen zusammenhängen, während sich der Anteil dieser Branche an der Gesamtbeschäftigung kaum verändert hat. Im Bereich Erziehung und Unterricht ist das Niedriglohnrisiko so deutlich zurückgegangen, dass sich der Anteil am Niedriglohnsektor trotz des leichten Anstiegs des Anteils an der Gesamtbeschäftigung etwas verringert hat.

Niedriglohnsektor in Deutschland

Im europäischen Vergleich weist Deutschland einen der größten Niedriglohnsektoren auf.

Für die Ausweitung des Niedriglohnbereichs sind mehrere Faktoren verantwortlich, so vor allem die Deregulierung von Produktmärkten, die Ausweitung des durch Kleinbetriebe dominierten Dienstleistungssektors, die rückläufige Durchsetzungsmacht von Gewerkschaften und Betriebsräten und die Erosion der Tarifbindung, in den alten Bundesländern (vgl. Abbildung III.6) und vor allem in den neuen Bundesländern (vgl. Abbildung III.9). Zudem ist die Ausweitung von Niedriglöhnen durch die sog. Hartz-Reformen verstärkt und beschleunigt worden. Das konstant hohe Niveau des Niedriglohnsektors in Deutschland ist somit das Ergebnis eines politischen Prozesses, der bereits zu Beginn des Jahrtausends eingeleitet wurde.

Den gesamten Report findet man hier:

http://www.iaq.uni-due.de/iaq-report/2020/report2020-05.pdf

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