Welche Bildungs- und Teilhabeleistungen bedürftige Kinder und Jugendliche bekommen, muss anders organisiert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Bisher sind dafür allein die Kommunen zuständig, weil sie örtliche Träger der Sozialhilfe sind. Deren Aufgaben auf diesem Gebiet hat der Bund bereits im Jahr 2011 ausgeweitet – in unzulässiger Weise, wie die Richter jetzt urteilten: Durch die Mehrbelastung würden die Kommunen in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt, entschied das Gericht.
Bildung und Teilhabe Kinder: Durch die Mehrbelastung würden die Kommunen in ihrem Recht auf Selbstverwaltung verletzt, entschied das Gericht.
Bundesverfassungsgericht: Kommunen müssen bei Bildung und Teilhabe entlastet werden
Die Bildungs- und Teilhabeleistungen richten sich an bedürftige Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Zum Beispiel können Kosten für Klassenfahrten übernommen werden, auch Zuschüsse für Schulbedarf gehören dazu. Die Organisation liegt bei den Kreisen und kreisfreien Städten. 2011 kamen auf Betreiben des Bundes neue Bereiche dazu, etwa Lernförderung oder Mittagsverpflegung. Außerdem bekommen seither nicht nur Schülerinnen, sondern auch Kita-Kinder Unterstützung. Die Leistungen wurden zuletzt 2019 durch das sogenannte Starke-Familien-Gesetz aufgestockt.
Einige Kommunen aus Nordrhein-Westfalen hatten gegen die Mehraufgaben geklagt. Sie hielten es für verfassungswidrig, dass sie ihnen direkt vom Bund übertragen worden sind – seit der Föderalismusreform sind dazu nur die Länder berechtigt. Als Trägerinnen öffentlicher Gewalt sichert das Grundgesetz Gemeinden ein Recht auf Selbstverwaltung zu. Wenn sie dieses verletzt sehen, können sie eine Kommunalverfassungsbeschwerde erheben, was auch zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geführt hat.
Bei seiner Entscheidung berief sich das Gericht auf das sogenannte Durchgriffsverbot des Bundes. Es untersagt ihm, Kommunen Aufgaben zu übertragen, solange es sich nicht um eine Anpassung an „veränderte ökonomische und soziale Umstände“ handelt. Dasselbe gilt für Erweiterungen bereits bestehender Aufgaben, die schwerwiegend genug sind, um eine Auswirkung auf Organisation und Finanzierung vor Ort zu haben. Als solche Erweiterungen wertete das Gericht die Ausweitung der Bildungs- und Teilhabeleistungen auf Schulausflüge und Kitas.
Als Folge des Karlsruher Gerichtsentscheids muss der Bund nun einen Weg finden, die Bildungs- und Teilhabeleistungen anders zu organisieren. Dafür hat der Gesetzgeber Zeit bis Ende 2021. So lange müssen die Kommunen die Aufgabe noch selbst erfüllen.
Die meisten Kommunen stehen finanziell wesentlich schlechter da als der Bund. Erst kürzlich berechnete die staatliche KfW-Bank den Investitionsrückstand bei den Kommunen auf fast 150 Milliarden Euro, zudem sind sie mit mehr als 130 Milliarden Euro verschuldet. Eine Initiative von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), die Altschulden von Kommunen, die durch die Corona-Krise in Not geraten, vom Bund übernehmen zu lassen, scheiterte am Widerstand der CDU.