„Höhere Löhne bedeuten in späteren Jahren eine höhere Rente. Daran müssten auch die Kommunen ein vitales Interesse haben.“

Vorreiter beim Mindestlohn

Anhörung zu einer Lohnuntergrenze von 13 Euro bei öffentlichen Aufträgen im Wirtschaftsausschuss des Landtags

Höhere Löhne bedeuten in späteren Jahren eine höhere Rente. Daran müssten auch die Kommunen ein vitales Interesse haben, sagte Linksfraktionschef Sebastian Walter am Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags. Denn die Kommunen seien es, die mit Altersarmut belastet und von hohen Sozialhilfeleistungen am stärksten betroffen seien.

Der Ausschuss hatte eine Anhörung zur geplanten Änderung des brandenburgischen Vergabegesetzes einberufen. Es ging darum, ob die vorgeschlagene Lohnuntergrenze in Höhe von 13 Euro pro Stunde für Aufträge der öffentlichen Hand zu hoch oder zu niedrig sei. Eingeführt wurde der Vergabemindestlohn im Jahr 2012. Er betrug zunächst acht Euro und wurde schrittweise auf 10,85 Euro angehoben.

Aus Sicht der Linksfraktion dient ein guter Lohn langfristig auch der Stabilisierung der kommunalen Haushalte. Etwa ein Drittel der Beschäftigten würde davon profitieren, wenn das Land und die Kommunen Aufträge nur dann erteilen, wenn die Beschäftigten einen höheren Lohn erhalten, argumentierte Walter. Sein Fraktionskollege Andreas Büttner fragte, ob es überhaupt nachweisbar sei, dass ein höherer Mindestlohn dazu führe, dass Aufträge nicht ausgelöst werden, die man sich bei einem niedrigeren Lohn geleistet hätte.Jens Graf, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, stellte in Zweifel, dass höhere Mindestlöhne bei Aufträgen der öffentlichen Hand zu einer messbaren Verbesserung der Altersabsicherung führen könnten. Angesichts des Sporadischen und Gelegentlichen vieler dieser Aufträge sei ein solcher Zusammenhang höchstwahrscheinlich nicht herleitbar, sagte Graf. »Ich sehe zumindest keine Anzeichen dafür.« Wenn Beschäftigte »mal einige Stunden an einem Staatsauftrag arbeiten und später wieder nicht«, würde der Kontrollaufwand für den unterschiedlichen Lohn sehr groß sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit wäre eine Kontrolle gar nicht zu leisten. Es sei sehr schwer, sich davon zu überzeugen, »dass dieses Geld bei den Beschäftigten auch wirklich ankommt«. Graf warb dafür, darüber nachzudenken, ob ein solches Vergabegesetz entbehrlich sei und man nicht mit dem bundesweit für alle Beschäftigten geltenden gesetzlichen Mindestlohn gut leben könne – obwohl der niedriger ist. Er liegt gegenwärtig bei 9,50 Euro und soll schrittweise bis zum Juni 2022 auf 10,45 Euro steigen.

Für den Landkreistag sagte Johannes Wagner, es seien viele Investitionen der Kommunen wünschenswert. Um das Interesse von Unternehmen an öffentlichen Aufträgen zu stärken, empfahl er die Reduzierung der Bürokratie. Äußerst wichtig wäre, die Gültigkeit des Vergabegesetzes von einem Auftragsvolumen von derzeit 3000 Euro auf 20 000 Euro heraufzusetzen und es bei Bauleistungen erst ab 50 000 Euro greifen zu lassen. Damit würde dann in Brandenburg ähnliches gelten wie in anderen Bundesländern. Das Interesse an möglichst hohen Löhnen teile der Landkreistag, versicherte Wagner.Die Untergrenze von 13 Euro im Vergabegesetz sei von der brandenburgischen Mindestlohnkommission empfohlen worden, erinnerte der SPD-Abgeordnete Mike Bischoff. Der Abgeordnete Helmut Barthel (SPD) sieht in der Lohnuntergrenze ein Mittel, es jenen Firmen schwer zu machen, deren Geschäftsmodell auf Lohndumping aufgebaut sei. Der Ausschussvorsitzende Frank Bommert (CDU) beteuerte hingegen nachdrücklich, gerade aus dem Handwerk kenne er nur Unternehmer, »die vernünftig mit ihren Mitarbeitern umgehen«. Für die Grünen wies der Abgeordnete Clemens Rostock darauf hin, dass die Tarifbindung brandenburgischer Firmen nach wie vor abnehme. Könnte der Vergabelohn dem entgegenwirken?

Städtebund-Geschäftsführer Graf bezweifelte das. Er erinnerte daran, dass die öffentliche Hand früher in der Auftragsvergabe an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gebunden war und seither immer mehr soziale und Umweltschutzkriterien eingeführt wurden. Mit derartigen »Zusatzstandards« seien die zuständigen Vergabestellen überfordert. »Sie sind nicht in der Lage, das tatsächlich zu kontrollieren, auch wenn alles unterschrieben wird.« Das nannte Graf eine Placebo-Politik.

Die Abgeordnete Saskia Ludwig (CDU) steuerte bei, dass in der Praxis jene Unternehmen, welche die Standards ehrlich erfüllen, die Aufträge zumeist gar nicht bekommen. »So ist leider die Praxis.«

Thorsten Schulten von der Hans-Böckler-Stiftung rechnete vor, mit 13 Euro Vergabemindestlohn würde Brandenburg Vorreiter in Deutschland sein. Er sagte aber voraus, dass andere Bundesländer rasch nachziehen würden.

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