Während der Pandemie haben in Deutschland über 9000 Pflegekräfte in Krankenhäusern und der Altenpflege aufgehört.

Pflegenotstand

Corona: Pflegerinnen, die Heldinnen der Krise

Während der Pandemie haben in Deutschland über 9000 Pflegekräfte in Krankenhäusern und der Altenpflege aufgehört. Gerade Frauen stehen an der Corona-Front. 

Desinfektionsmittel, Plastikhaube, FFP3-Maske. Innerhalb von Sekunden hat Katrin Berger ihre Schutzkleidung übergezogen. Die Krankenschwester arbeitet auf der Intensivstation des Helios-Krankenhauses in Berlin-Buch. Seit 26 Jahren ist sie hier beschäftigt. Um sie herum Maschinen, Schläuche, Medikamente und – viele andere Frauen.

Seit einem Jahr gehen sie hier Tag und Nacht an ihre Grenzen, um Corona-Patienten zu versorgen. Keine leichte Aufgabe, erklärt sie: „Also es ist zum einen die körperliche Belastung, die ist enorm. Aber auch die psychische Komponente spielt eine große Rolle.“ Denn mit schwerst-kranken Patienten umzugehen, das sei für sie Routine. Doch dass die Patienten jetzt durch das Ansteckungsrisiko selbst zur Gefahr werden, das ist neu.

Ein paar Kilometer weiter marschiert Dörte Herrmann mit schnellen Schritten durch den Flur des Pflegeheims der Volkssolidarität in Berlin. Sie ist Altenpflegerin und Teamleiterin – und auch ihr Team besteht fast nur aus Frauen.

„Ja wir haben hier viele weibliche Kolleginnen.“ Woran die ungleiche Verteilung liegen könnte? Für Dörte Herrmann ist es wohl die niedrige Bezahlung. „Wäre es nämlich eine Männerdomäne, dann würden auch die Frauen ganz anders verdienen!“

Der Großteil der Pflegekräfte in Deutschland ist weiblich

In der Pflege liegt der Frauenanteil laut Deutschem Gewerkschaftsbund bei über 90 Prozent. Vor allem in der Altenpflege sind immer noch vorwiegend Frauen zu finden. Doch trotz ihres überproportionalen Anteils verdienen sie laut DGB teilweise weniger als ihre männlichen Kollegen in ähnlichen Positionen.

Heldinnen in der Corona-Krise

In der Krankenpflege zum Beispiel erhalten Frauen durchschnittlich zehn Prozent weniger. Neben relativ niedriger Bezahlung kommen geringe Aufstiegschancen und belastenden Arbeitszeiten hinzu. Viele haben deswegen jetzt ihren Job gekündigt. Dörte Herrmann hat über zehn Jahre regelmäßig in Nachtschichten gearbeitet, Katrin Berger tut es heute noch.

Zurück auf der Intensivstation. In voller Montur verschwindet die Intensivpflegerin hinter der Tür eines Covid-Patienten. Nass geschwitzt kommt sie nach ein paar Minuten wieder heraus. Die 46-Jährige hätte sich über das Extra-Geld durch den „Corona-Bonus“ gefreut, das kam bis heute aber in ihrem Krankenhaus nicht an.

Generell gab es keine finanzielle Verbesserung im Vergleich zu Zeiten vor Corona. Allerdings – nur des Geldes wegen könne man hier auch nicht arbeiten, erklärt sie. „Speziell die weiblichen Pflegekräfte sind da alle engagiert und mir Herzblut dabei. Sonst funktioniert der Job nicht.“ Trotzdem: „Mehr Gehalt ist immer schön“, fügt sie hinzu.

Die Gehaltsunterschiede in Deutschland sind groß

In Deutschland ist das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern besonders stark ausgeprägt. Jahrelang lag der sogenannte Gender-Pay-Gap bei über 20 Prozent, zuletzt sank er laut Statistischem Bundesamt leicht auf 19 Prozent. Am stärksten ausgeprägt ist der Verdienstunterschied in der Unterhaltungsbranche bei 29 Prozent, gefolgt von wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen.

Das Gesundheits- und Sozialwesen, in dem die beiden Pflegerinnen arbeiten, kommt dann schon auf Platz Drei mit durchschnittlich 25 Prozent geringerem Bruttostundenlohn. Die Behörde erklärt die Unterschiede vor allem durch strukturelle Faktoren. Frauen würden zum Beispiel häufiger in schlecht bezahlten Berufen arbeiten und erreichen seltener gut bezahlte Führungspositionen.

Diesen Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern hat auch Dörte Herrmanns erlebt. Ihr Mann ist auch Altenpfleger und verdiente lange mehr als sie. Jetzt als Teamleiterin habe sie ihn aber eingeholt, erzählt sie stolz, während sie von einer Mitarbeiterbesprechung zum mobilen Frisörsalon trabt.

Heute schneiden sie den Senioren im Pflegeheim die Haare. Auch hier hört man schnell wieder den gleichen Satz wie im Krankenhaus: Pflegerin wird man nicht des Geldes wegen. Dörte Herrmann mache ihren Job mit „Herz und Schnauze“, wie sie sagt.

Pflegerinnen vermissen Wertschätzung für ihren Beruf in der Gesellschaft

Doch da gibt noch etwas, das für beide Frauen zählt, vielleicht viel mehr noch als die Bezahlung: Es ist die Wertschätzung für ihren Beruf in der Gesellschaft. Das der nicht da sei, daran habe sich Dörte Herrmann in den letzten Jahren gewöhnt. „Oft werden wir ja gesehen wie die Arsch-Abwischer. Und das war‘s.“

Als die Menschen in Deutschland den Pflegekräften am Anfang der Pandemie auf ihren Balkons symbolisch applaudierten, da fühlte sie sich plötzlich gesehen. Die Coronavirus-Krise habe den Menschen gezeigt, wie wichtig ihre Arbeit sei, sagt Kathrin Berger. Doch das Klatschen ist lange vorbei. Jetzt sei es an den Frauen, sich weiter stark zu machen, für ihren Beitrag in der Gesellschaft.

Für viele Menschen, so Dörte Herrmann, seien sie eben nur die Pflegekraft, die Reinungskraft oder auch die Küchenkraft. Doch fiele nur eine von ihnen aus, würde das ganze Team nicht mehr funktionieren. Ihr Appell: „Ich würde mir für die Frauen wünschen, dass sie sich in diesem Beruf nicht immer kleiner machen als sie sind.“

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