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Anteil der jungen Menschen besonders hoch

OECD-Studie: Immer mehr Deutsche verlieren Anschluss an Mittelschicht

Das Risiko abzusteigen hat in der unteren Mittelschicht stark zugenommen, zeigt eine Studie. Nur drei Länder stehen im OECD-Vergleich noch schlechter da als Deutschland.

Die Mittelschicht in Deutschland schrumpft einer Studie zufolge deutlich, besonders der untere Rand ist demnach abstiegsgefährdet. 2018 zählten 64 Prozent der Bevölkerung zur mittleren Einkommensgruppe, 1995 waren es noch 70 Prozent. Das geht aus einer Analyse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Bertelsmann Stiftung hervor.

Demnach sind allein von 2014 bis 2017 etwa 22 Prozent der Menschen im erwerbsfähigen Alter in die untere Einkommensschicht geraten – und waren damit arm oder von Armut bedroht. Es gebe Anzeichen dafür, dass sich die Entwicklung durch die Pandemie noch verschärft hat. Denn acht Prozent der Menschen mit mittleren Einkommen verloren in den ersten Monaten der Krise bis Januar 2021 ihren Job, wie Berechnungen der Stiftung und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen.

„Gefährdet sind all jene, die unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße ein verfügbares Einkommen zwischen 75 und 100 Prozent des mittleren Einkommens haben“, teilte die Bertelsmann Stiftung mit. Das waren 2018 demnach etwa 1.500 bis 2.000 Euro verfügbares Nettoeinkommen für einen Single oder 3.000 bis 4.000 Euro für eine Familien mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern.

Ostdeutsche öfter abstiegsgefährdet

Eine besonders große Abstiegsgefahr hat die Stiftung bei jüngeren Erwachsenen aus der Einkommensmitte festgestellt. Der Anteil der 18- bis 29-Jährigen, die zur Einkommensmitte gehören, sank mit zehn Prozentpunkten überdurchschnittlich stark. Das zeigt auch der Generationenvergleich: Während es noch 71 Prozent der Babyboomer (Jahrgänge 1955 bis 1964) nach dem Start ins Berufsleben in die Mittelschicht schafften, gelang dies nur noch 61 Prozent der sogenannten Millenials (1983 bis 1996). Und wer in Deutschland einmal aus der Mittelschicht herausfalle, habe es heute deutlich schwerer, wieder aufzusteigen, sagte Mitautorin Valentina Consiglio.

Zudem gelinge es Ostdeutschen seltener, in den mittleren Einkommensbereich zu gelangen oder sich dort zu halten, als Westdeutschen. Im Vergleich zu den anderen OECD-Ländern schrumpfte die Mittelschicht demnach nur in Schweden, Finnland und Luxemburg stärker als in Deutschland.

Bildung spiele dabei eine immer wichtigere Rolle. Denn der Anteil der 25- bis 35-Jährigen mit niedrigem oder mittlerem Bildungsniveau, die es in die Mittelschicht schaffen, sank deutlich. „Bildungsrückstände, die durch die Pandemie entstanden sind, müssen dringend aufgeholt werden, sonst wird vielen der mühsame Aufstieg in die Mittelschicht zusätzlich erschwert“, sagte Consiglio.

Um die Mittelschicht zu stärken, müssten Barrieren auf dem Arbeitsmarkt abgebaut und Frauen stärker gefördert werden. Sie arbeiteten zwar häufiger als früher, aber oft in Teilzeit und in Tätigkeiten, für die sie überqualifiziert seien. Um zur Mittelschicht zu gehören, brauche es zunehmend ein zweites gutes Arbeitseinkommen. „Wollen wir die Mittelschicht stärken, sollten Umfang und Qualität der Jobs von Frauen verbessert werden.“

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