»Die gesetzliche Rentenversicherung verbuchte im Jahr 2021 nach vorläufigen Angaben einen Überschuss von fast 1 Mrd €.« (Bundesbank)

Der „Grundrente“ sei Dank? Zur Finanzlage der gesetzlichen Rentenversicherung

Wenn wir über die Rentenversicherung in Deutschland sprechen, dann geht es an den Geldbeträgen gemessen um eine ganz große Hausnummer: Im vergangenen Jahr hat die gesetzliche Rentenversicherung mehr als 340 Milliarden Euro ausgegeben. Nur zur vergleichenden Einordnung: Nach der Haushaltsplanung wurden für das Jahr 2021 für die gesamten Ausgaben des Bundes etwas mehr als 498 Milliarden Euro eingestellt.

Auch die Finanzentwicklung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung ist einem Auf und Ab der Überschüsse und Defizite mit Blick auf die jährlichen Salden von Einnahmen und Ausgaben ausgesetzt. Die Abbildung zeigt die Entwicklung von 2000 bis einschließlich des ersten Corona-Jahres 2020:

Und wie war die Entwicklung im zweiten Corona-Jahr 2021? „Die Rentenversicherung ist bisher gut durch Pandemie gekommen.“ Obwohl sich die COVID-19-Pandemie in Rekordzahlen bei der Kurzarbeit, sinkender Beschäftigung und steigender Arbeitslosigkeit niedergeschlagen habe, würden voraussichtlich auch in diesem Jahr die Beiträge aus beitragspflichtiger Beschäftigung steigen. Mit diesen Worten wurde Alexander Gunkel, Vorsitzender des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund, Anfang Dezember 2021 auf der virtuell tagenden Bundesvertreterversammlung zitiert.

Dennoch wurde ein Defizit prognostiziert – wenn auch deutlich kleiner als das, was für das Jahr 2020 ausgewiesen wird: »Für 2021 seien Einnahmen in Höhe von 341,1 Milliarden Euro und Ausgaben von 341,6 Milliarden Euro zu erwarten. Die Ausgaben überstiegen die Einnahmen demnach voraussichtlich um 0,5 Milliarden Euro.«

Und mit Blick auf das nunmehr begonnene Jahr 2022 führte Gunkel aus: »Der sog. Nachholfaktor solle nach den Festlegungen im Koalitionsvertrag bereits wieder 2022 und nicht erst wie bisher gesetzlich vorgesehen 2026 wirken. Damit solle nach dem Willen der Koalition die rechnerische Minusanpassung für 2021, die wegen der Rentengarantie nicht wirksam wurde, mit Rentensteigerungen verrechnet werden. Allerdings ist im Koalitionsvertrag auch vorgesehen, dass für das derzeit geltende Mindestrentenniveau von 48 Prozent künftig die „Definition vor der kürzlich durchgeführten Statistikrevision“ gelten soll. Unter dieser Voraussetzung kann im kommenden Jahr der Ausgleichsbedarf nur teilweise abgebaut werden, weil sonst die Haltelinie für das Rentenniveau von 48 Prozent unterschritten würde. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums würde der Abbau des Ausgleichsbedarfs im kommenden Jahr die Rentenanpassung West um rund 0,8 Prozentpunkte niedriger ausfallen lassen als ohne Ausgleichsfaktor.«

Zur Diskussion über die Wiedereinführung des Nachholfaktors und einer notwendigen Relativierung vgl. diese Veröffentlichung:

➔ Johannes Steffen (2021): Rentenanpassung 2022 – Rückkehr zum Nachholfaktor!? Ein »Elefant« wird zur »Mücke«, 11.11.2021

Mit Blick auf die Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben in dieser großen Säule des deutschen Sozialstaats bewegen wir uns offensichtlich auf einem schwankenden Schiff. Nur einige Wochen später finden wir statt des prognostizierten Defizits für das vergangene Jahr 2021 nun sogar einen Überschuss, zumindest wenn man den Ausführungen der Deutschen Bundesbank in ihrem Monatsbericht Februar 2022 (S. 79 f.) folgt:

»Die gesetzliche Rentenversicherung verbuchte im Jahr 2021 nach vorläufigen Angaben einen Überschuss von fast 1 Mrd €.«

Sind wir nicht alle auf der Suche nach positiven Nachrichten in diesen Zeiten? Das ist offensichtlich so eine. Aber wie kann es im vergangenen Jahr nun sogar einen Überschuss gegeben haben? Liest man weiter im Monatsbericht der Bundesbank, bekommt man diese Antwort: Vor allem die sogenannte „Grundrente“ der alten Bundesregierung war es. Bitte?

»Der Überschuss entspricht letztlich einem Sondereffekt bei der Grundrente: Der Bund zahlte im vergangenen Jahr bereits den vollen Zuschuss von 1,5 Mrd. €. Dieser soll die jährlichen Zusatzleistungen anfangs in etwa ausgleichen. Die 2021 erwachsenen Ansprüche wurden aber erst zu einem kleinen Teil ausgezahlt.«

Dazu Stefan Thissen unter der Überschrift Rentenversicherung profitierte von Zuschuss für die Grundrente: »Die unerwartet gute finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung ist auch auf die Steuerzuschüsse zurückzuführen, die im vergangenen Jahr für die Grundrente auf die Konten der 16 Rentenversicherer flossen … der Bund (zahlte) für das Vorjahr „bereits den vollen Zuschuss“ von 1,5 Milliarden Euro, obwohl die 2021 entstandenen Ansprüche auf Grundrente „erst zu einem kleinen Teil ausgezahlt“ worden seien. Laut Grundrentengesetz aus dem Jahr 2020 werden der Rentenversicherung die Kosten für den sogenannten Grundrentenzuschlag durch einen von Jahr zu Jahr steigenden Bundeszuschuss erstattet.«

Einnahmeseitig stiegen die Beitragseingänge um 4%. Und das war mehr als das, was auf der Ausgabenseite passiert ist: »Die Ausgaben wuchsen demgegenüber mit 2,5% deutlich schwächer. Ursächlich ist vor allem, dass die Renten zur Jahresmitte in Westdeutschland nicht angehoben wurden (im Osten: +0,7%).«

Und was schreiben die Bundesbanker zur erwarteten Entwicklung in diesem Jahr? Da sollen wieder runter gehen in den roten Bereich – wenn denn die Prognose zutreffend sein sollte:

»Im laufenden Jahr werden die Ausgaben zügiger steigen als die Einnahmen: Es ist mit einem deutlichen Defizit zu rechnen. Die Bundesmittel wachsen regelgebunden nur verhalten, da sie an die schwache Entgeltentwicklung im Jahr 2020 anknüpfen. Ausgabenseitig dämpft in der ersten Jahreshälfte zwar noch, dass die Renten 2021 kaum angepasst wurden. Zur Jahresmitte 2022 dürfte die Anpassung aber sehr hoch ausfallen. Hinzu kommen neben den laufenden Grundrentenzuschlägen noch die Nachzahlungen für 2021. Das Jahresergebnis dürfte sich allein deshalb um etwa 2,5 Mrd € verschlechtern, weil Leistungen für 2021 verzögert ausgezahlt werden.«

Auch die Bundesbank weist auf die Wiedereinführung des „Nachholfaktors“ hin, bescheinigt diesem aber auch – wie bereits Alexander Gunkel – eine nur überschaubare Auswirkung. Stefan Thissen fasst die Ausführungen im Monatsbericht der Bundesbank so zusammen: »Einen relativ geringen Einfluss auf die diesjährige Kostenentwicklung in den Rentenkassen dürfte nach Einschätzung der Währungshüter die geplante Wiedereinsetzung des sogenannten Nachholfaktors in der Rentenanpassungsformel haben. Zwar soll sich der Faktor nach Plänen der Bundesregierung bereits auf die Rentenerhöhung zur Jahresmitte auswirken. Allerdings solle zeitgleich das derzeit durch einen statistischen Sondereffekt ausgewiesene Rentenniveau von 49,4 Prozent wieder auf das frühere Niveau von 48,3 Prozent zurückgeführt werden. Da das Rentenniveau gesetzlich aber nicht unter 48 Prozent sinken darf, sei in diesem Jahr die Wirkung des Nachholfaktors für die Rentenapassung „nur gering“, so die Bundesbank.«

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