Insgesamt verhandeln die DGB-Gewerkschaften im Jahr 2022 für knapp 10 Millionen Beschäftigte neue Vergütungstarifverträge.

Die Tarifverdienste haben schon im vergangenen Jahr der Inflationsentwicklung hinterhergeschaut. Und 2022 gibt es eine ganz schwierige Tarifrunde für die Gewerkschaften

Nicht nur der Blick auf die (weiter steigenden) Sprit- oder Gaspreise lässt viele derzeit Schlimmes befürchten. Auf breiter Front steigen die Preise und wenn man sich anschaut, mit welchen Preissprüngen die dem Endverbrauch vorgelagerten Produktionsstufen konfrontiert sind, dann kann man sich ausrechnen, was und in welcher Größenordnung in den kommenden Monaten an die Verbraucher weitergegeben wird. Dabei hatte ein Teil der Ökonomen durchaus Entspannung in den prognostischen Raum gestellt: »Nach einer jährlichen Teuerungsrate von 5,3 Prozent im Dezember und 4,9 Prozent im Januar hatten Ökonomen gehofft, die Inflation könnte weiter sinken.« Aber: Das Gegenteil ist nun der Fall. Die Verbraucherpreise stiegen im Februar um 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt mitteilt (Inflationsrate im Februar 2022 voraussichtlich +5,1 %). Wie kann das sein? Dazu die Bundesstatistiker: »Obwohl die Basiseffekte infolge der temporären Mehrwertsteuersenkung und dem Preisverfall der Mineralölprodukte im Jahr 2020 seit Januar 2022 entfallen, bleibt die Inflationsrate hoch. Einen Einfluss haben hier weiterhin coronabedingte Effekte, wie Lieferengpässe und deutliche Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen sowie bei den Energieprodukten. Diese Effekte werden überlagert durch die Unsicherheiten infolge des Angriffs Russlands auf die Ukraine.« Die Begrifflichkeit „Unsicherheiten“ ist angesichts der dramatischen Ereignisse in der Ukraine und den massiven Sanktionen seitens der westlichen Welt gegen Russland weit mehr als nur „unterkühlt“.

 

Die wahrscheinlichen Folgen für das laufende Jahr werden heftig sein: „Damit ist eine Inflationsrate von unter vier Prozent für das Gesamtjahr 2022 eigentlich unrealistisch geworden.“ Mit diesen Worten wird Achim Truger, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, zitiert. „Je nach dem, wie die Gaspreise an die Verbraucher durchgereicht werden und der Gaspreis sich krisenbedingt entwickelt, können es auch über fünf oder sogar über sechs Prozent werden.“

Und seien wir ehrlich: Auch diese – angesichts der noch vor wenigen Wochen deutlich optimistischeren Inflationsprognosen für das laufende Jahr, die erheblich niedriger angesetzt waren – düsteren Aussagen könnten den Kaffeesatzleserei-Charakter derzeitiger Prognostik noch unterschätzen, je nach der möglichen weiteren Eskalation der offensichtlichen Kriegsverbrechen, die vor unseren Augen und Grenzen in der Ukraine ablaufen.

Wie dem auch sei – bereits im vergangenen Jahr, das mit einer jahresdurchschnittlichen Preissteigerungsrate von 3,1 Prozent abgeschlossen wurde, hat die Lohnentwicklung in den „besseren Etagen“ – also bei den Tariflöhnen – schlapp gemacht. Das zeigen auch die rückblickenden Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt: »Die Tarifverdienste in Deutschland sind im Jahr 2021 im Durchschnitt um 1,3 % gegenüber dem Jahresdurchschnitt 2020 gestiegen. Dies geht aus dem Index der tariflichen Monatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen hervor.«

Die Tarifentwicklung war im Jahr 2021 in den meisten Wirtschaftszweigen schwächer als in den Vorjahren. Dies ist laut Statistischen Bundesamt auf mehrere Ursachen zurückzuführen:
➞ Zum einen wurden im Jahr 2020 in vielen Bereichen Corona-Prämien gezahlt, die es im Jahr 2021 nicht gab.
➞ Zum anderen wurden einige neue Tarifabschlüsse verzögert erzielt und fielen teilweise niedriger aus als in Vorjahren.

Was man in aller Deutlichkeit erkennen kann ist der Sinkflug der Tarifverdienste. Und der gleichzeitige starke Anstieg der Inflationsrate. Und die geht von vielen Ökonomen nicht erwartet, munter weiter: Allein von Januar bis Februar 2022 haben die Preise insgesamt um 0,9 Prozent angezogen. Vor allem steigende Energiepreise haben die Inflationsrate in die Höhe getrieben und die massiven Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine sind darin noch gar nicht enthalten. Der Angriff Russlands auf das Nachbarland hat an den Rohstoffmärkten für Preissprünge bei Rohöl und Erdgas gesorgt, die aber erst mit Verzögerung zu höheren Verbraucherpreisen führen werden.

Wenn man die Entwicklung der Tarifverdienste mit Sonderzahlungen in Relation setzt zu der am Verbraucherpreisindex gemessenen Inflation, dann wird sofort erkennbar, mit welchem Auseinanderlaufen die Tariflöhne hinsichtlich der Preissteigerungsrate bereits im vergangenen Jahr konfrontiert waren:

Weitere Preistreiber im laufenden Jahr stehen jetzt schon fest. „Das Problem der Lieferengpässe entspannt sich zwar, ist aber noch nicht ausgestanden, und wir sehen bereits eine Knappheit von Arbeitskräften in einigen Bereichen“, so Monika Schnitzer, wie Achim Truger ebenfalls Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, also den „fünf Wirtschaftsweisen“, von denen allerdings ein Mitgliedsstuhl derzeit nicht besetzt ist. Das wirke „lohn- und preistreibend“, so Schnitzer.

Und neben den Unsicherheiten durch den schwer vorherzusagenden Verlauf des Kriegs in der Ukraine bemüht Schnitzer wie andere Ökonomen auch das Schreckgespenst der „Lohn-Preis-Inflation“ (vgl. dazu den Beitrag Von Tarif- und anderen Löhnen, einer Inflation, die das Land spaltet und dem Schlossgespenst der „Lohn-Preis-Spirale“ vom 13. Dezember 2021). Auch sie verweist auf die bevorstehenden Tarifverhandlungen. Dort steigt der Druck auf die Gewerkschaften. »Vermutlich wird von der Arbeitnehmerseite jetzt mindestens ein Inflationsausgleich gefordert. Für Schnitzer ist das zu hoch: „Tarifabschlüsse unter der Inflationsrate halte ich für vernünftig.“ Die Preissteigerungen, die der Ukraine-Krieg vor allem im Energiebereich womöglich noch mit sich bringt, ließen sich ohnehin nicht ganz auffangen. „Ein kompletter Ausgleich geht einfach nicht.“«

Was sagt dazu der den Gewerkschaften nahestehende Wirtschaftsweise Achim Truger? Auch der wird zitiert: Er sieht das entspannter. „Dass es zu dauerhaft überhöhter Inflation wegen einer Lohn-Preis-Spirale kommt, halte ich weiterhin für unwahrscheinlich, das zeichnet sich bislang nicht ab.“ Er erwartet sogar an ein Abflauen der Preise noch in diesem Jahr. „Für die zweite Jahreshälfte und für 2023 besteht weiterhin Hoffnung auf sinkende Inflationsraten, weil dann die Wirkungen der Energiepreisschocks auslaufen dürften.“

Aber wirklich darauf wetten will sicher an dieser Stelle keiner.

Und die Gewerkschaften? Die sind wieder einmal zwischen Baum und Borke

Insgesamt verhandeln die DGB-Gewerkschaften im Jahr 2022 für knapp 10 Millionen Beschäftigte neue Vergütungstarifverträge. Wie gehen die Gewerkschaften mit der mehrfach misslichen Situation um? Wie mit den Erwartungen der Mitglieder, deren Kaufkraft derzeit inflationsbedingt schmilzt?

➔ Nehmen wir als Beispiel die Industriegewerkschaft Bergau, Chemie, Energie (IG BCE). Denn dieser so bedeutsame Zweig der deutschen Industrie steht tatsächlich in diesem Jahr vor Tarifverhandlungen – und die Gewerkschaft stellt gleich am Anfang die Herausforderung steigende Preise besonders heraus: »Auf der einen Seite steigen die Gewinne der Chemieunternehmen deutlich. Auf der anderen Seite erhöhen sich die Kosten im Privatleben für Strom, Benzin oder Mieten immer weiter. Die Bundestarifkommission hat in ihrer Forderung für die Tarifrunde 2022 beschlossen, dass die Kaufkraft der 580.000 Beschäftigten der Branche durch eine Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen nachhaltig gesteigert werden muss.« Unter der Überschrift Mehr Kaufkraft, mehr Wertschätzung, mehr Sicherheit berichtet die Gewerkschaft am 22. Februar 2022 über den Forderungskatalog für die diesjährige Tarifrunde. „Wir werden bei der prozentualen Erhöhung in eine Dimension kommen, wie wir sie in den vergangenen Jahren nicht erlebt haben“, so Ralf Sikorski, der Verhandlungsführer der diesjährigen Tarifrunde seitens der IG BCE.

»Da die Teuerungsrate so steil ansteigt, müssen auch mehr Prozente für die Chemie-Beschäftigten her. „Alles andere wird nicht funktionieren“, betont Sikorski.“ Wie sonst sollten die Beschäftigten die rasant wachsenden Kosten für Gas, Strom, Mieten oder Lebensmittel stemmen? Deshalb hat die Chemie-Tarifkommission am 22. Februar die Erhöhung der Entgelte und Ausbildungsvergütungen ins Zentrum ihrer Forderung gestellt. Ziel ist es, die Kaufkraft der Beschäftigten nachhaltig zu steigern.«

»Ziel ist es, die Kaufkraft der Beschäftigten nachhaltig zu steigern« – das ist die einzige „konkrete“ Forderungsformulierung der Gewerkschaft. Denn die liest sich durchaus anders als die üblicherweise aufgestellten Forderungen von Gewerkschaften, bei denen immer auch eine handfeste Zahl genannt wird. Es wird (aus taktischen Gründen oder weil man sich selbst erschrocken hat?) keine genaue Zahlenangabe gemacht. Die könnte man vor dem Hintergrund der tatsächlichen bzw. erwarteten Preisentwicklung gleichsam selbst ableiten aus dem vorliegenden Zahlenwerk: Wenn Ökonomen davon ausgehen, dass wir dieses Jahr zwischen vier oder fünf (oder mehr) Inflation bekommen, dann müssten auch die konkreten Forderungen der Gewerkschaft auf (mindestens) diese Größenordnung lauten. Und wenn man ganz genau liest, dann müsste der Tarifabschluss oberhalb der Inflationsrate liegen, denn die Gewerkschaft spricht von einer „Kaufkraftsteigerung“ der Arbeitnehmer, ein reiner Inflationsausgleich wäre das nicht. Also reden wir über eine Lohnsteigerung, die dann bei 6, 7 oder x Prozent liegen müsste.

Aber eine Lohnerhöhung in den Branchen, bei denen dieses Jahr überhaupt verhandelt wird, in dieser („nur“) die Inflation kompensierenden Stoßrichtung – ist das überhaupt realistisch?

Auch Monika Schnitzer verweist auf bevorstehende Tarifverhandlungen. Dort steigt der Druck auf die Gewerkschaften. Vermutlich wird von der Arbeitnehmerseite jetzt mindestens ein Inflationsausgleich gefordert. Für Schnitzer ist das zu hoch: „Tarifabschlüsse unter der Inflationsrate halte ich für vernünftig.“ Die Preissteigerungen, die der Ukraine-Krieg vor allem im Energiebereich womöglich noch mit sich bringt, ließen sich ohnehin nicht ganz auffangen. „Ein kompletter Ausgleich geht einfach nicht.“

Ihr Kollege im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Achim Truger, sieht das entspannter. „Dass es zu dauerhaft überhöhter Inflation wegen einer Lohn-Preis-Spirale kommt, halte ich weiterhin für unwahrscheinlich, das zeichnet sich bislang nicht ab.“ Er erwartet sogar an ein Abflauen der Preise noch in diesem Jahr. „Für die zweite Jahreshälfte und für 2023 besteht weiterhin Hoffnung auf sinkende Inflationsraten, weil dann die Wirkungen der Energiepreisschocks auslaufen dürften.“

Angesichts der bis vor kurzem unvorstellbaren Zuspitzung, die sich durch den Krieg in der Ukraine ergibt, scheint der generelle Rest-Optimismus bei Truger sicher diskussionsbedürftig. Das ist ein generelles Problem der bereits am Tag der Veröffentlichung überholten Prognosen, gerade hinsichtlich der zu erwartenden Inflationsentwicklung im Kontext der sich überschlagenden Ereignisse. So rechnet beispielsweise die Bundesregierung in ihrem im Januar 2022 veröffentlichten Jahreswirtschaftsbericht für dieses Jahr mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um durchschnittlich 3,6 Prozent. Man muss davon ausgehen, dass das bereits Schnee von gestern ist.

Unabhängig davon:

Eröffnen die in diesem Jahr laufenden bzw. anstehenden Tarifverhandlungen überhaupt (noch) den Möglichkeitsraum einer „Lohn-Preis-Spirale“?

Auch bei dem ausgewiesenen Tarifexperten Reinhard Bispinck taucht die Begrifflichkeit auf, schon in der Überschrift seines Blog-Beitrags Tarifrunde 2022 zwischen Kaufkraftsteigerung und Preis-Lohn-Spirale. In seinem Text weist er allerdings – jenseits einer reinen Begriffshuberei – richtigerweise darauf hin: »Wenn schon, dann sollte von einer Preis-Lohn-Preisspirale die Rede sein. Immerhin reagieren im Zweifelsfall die Löhne auf die vorangegangene Preisentwicklung. Ignoriert wird im Übrigen, dass Preissteigerungen keineswegs die automatische (!) Folge von (Lohn-)Kostensteigerungen sein müssen. Deren komplette Weitergabe ist kein Naturgesetz und es gibt auch kein Grundrecht auf eine bestimmte Gewinnmarge. Es geht also immer um Löhne, Preise und Profite.«

Er beschäftigt sich eingangs mit der Frage, welche Lohnforderung den „angemessen“ sei – die Antwort wird natürlich aus Sicht der Arbeitnehmerseite immer anders ausfallen als seitens der Arbeitgeber: »Traditionell orientieren sich die gewerkschaftlichen Tarifforderungen in einer Lohnrunde an der absehbaren Preisentwicklung, der zumeist steigenden Arbeitsproduktivität und einem Zuschlag, der den Anspruch auf „ein Stück mehr vom Kuchen“ dokumentiert.«

➔ Hier sollte man allerdings erwähnen, dass die Formulierung „an der absehbaren Preisentwicklung“ in einem doppelten Sinne verwendet werden kann: An einer absehbaren Inflationsrate, die wie in diesem Jahr hoch ausfallen wird – oder an der „Zielinflationsrate“ der EZB, also die berühmten knapp unter zwei Prozent. Bispinck verwendet die letztere an einer anderer Stelle in seinem Beitrag, wenn er argumentiert: »Ein Blick auf die Entwicklung der Tarifentgelte in den vergangenen zwei Jahrzehnten zeigt überdies, dass von einer überschießenden Lohnentwicklung keine Rede sein kann. Als Maßstab sei hier die EZB-Stabilitätsregel für die Lohnentwicklung genommen. Sie gibt als Orientierung die Zielinflationsrate und die Trendproduktivität vor.«

Nach einem Hinweis auf die zahlreichen Sonderfaktoren, die im laufenden Jahr die Preissteigerungsrate beeinflussen (werden), stellt auch Bispinck heraus: »Die Gewerkschaften beharren darauf, dass die Tarifsteigerungen reale Einkommenssteigerungen bringen sollen.« Es geht dann bei der Quantifizierung noch von der (wahrscheinlich bereits überholten) prognostizierten Inflationsrate aus dem Jahreswirtschaftsbericht in Höhe von 3,6 Prozent aus: »Das würde Tarifabschlüsse von 4 Prozent und mehr erfordern.«

Bispinck argumentiert nun – an dieser Stelle wieder mit Bezug auf die „EZB-Stabilitätsregel für die Lohnentwicklung“: »In den 2000er Jahren ergab sich infolge niedriger Abschlüsse zunächst ein großer Rückstand der Tarifentgelte, in den 2010er Jahren folgte die Tarifentwicklung überwiegend der EZB-Regel. Die Lücke konnte allerdings nicht geschlossen werden, die Tarifentwicklung während der beiden Coronajahre hat sie wieder größer werden lassen. Vor diesem Hintergrund erscheinen Tarifabschlüsse für 2022 und 2023, die deutlich oberhalb der EZB-Regel liegen, als unproblematisch.«

Er relativiert die Regel dann aber sogleich auch wieder: »Es sollte auch nicht vergessen werden, dass es sich bei dieser Regel um eine gesamtwirtschaftliche Orientierungsgröße für die Lohnentwicklung handelt. Tarifverhandlungen in einzelnen Branchen sind nicht lediglich ein formelgestütztes Rechenspiel, sie folgen einer eigenen Logik, in der die wirtschaftliche Situation der Branche und die gewerkschaftliche Verankerung in den Betrieben eine große Rolle spielen.«

»Tarifpolitik ist immer auch ein Verteilungskampf, dessen Ergebnis auch vom Kräfteverhältnis der Tarifvertragsparteien abhängt«, so Bispinck. Das ist ein wichtiger Punkt. Um wenn geht es denn in der aktuellen Tarifrunde? Und wie sind „die Kräfteverhältnisse“?

»Was fordern nun die Gewerkschaften konkret? Bislang bewegen sich die tariflichen Entgeltforderungen zwischen 5 und 6,5 Prozent auf 12 Monate bezogen. Das ist keineswegs dramatisch mehr als in den Vorjahren (2021: 4,0 – 6,0 % | 2020: 4,8 – 6,8 % | 2019: 5,0 – 6,0 %). Nicht alle Gewerkschaften haben ihre Forderungen schon beschlossen. Offen ist zum Beispiel die Situation in der Metallindustrie, wo die Verträge erst Ende September auslaufen.«

➔ Apropos IG Metall: Auf der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft am 27. Januar 2022 hat der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann ausgeführt: »Die IG Metall wird sich auch in diesem Jahr an den Kernpunkten der Tarifpolitik weiter orientieren: Gesamtwirtschaftliche Produktivität, Zielinflationsrate der EZB und eine gerechte Verteilung sind und bleiben unsere tariflichen Leitplanken in allen Branchen.« Auch da ist von der Zielinflationsrate der EZB die Rede, nicht von einer möglicherweise bei 5 oder 6 Prozent liegenden tatsächlichen Preissteigerungsrate als Orientierungspunkt.

Bispinck hat als Übersicht in seinem Beitrag diese Tabelle veröffentlicht:

Zusätzlich sollten – so Bispinck – die folgenden Aspekte berücksichtigt werden: Ebenfalls entgeltrelevant sind die Tarifverhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst (SuE). Dort will Ver.di vor allem durch verbesserte Eingruppierungsregeln eine finanzielle Aufwertung der Berufe in diesem Bereich durchsetzen. Und man darf die anstehende Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns und dessen Folgewirkungen nicht aus den Augen verlieren: »Im Oktober dieses Jahres wird der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro angehoben. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Tarifverhandlungen in einigen Niedriglohnbranchen, weil hier manche Tarifverträge Entgelte vorsehen, die noch darunter liegen. Der gewerkschaftliche Anspruch ist außerdem, dass die Tarifverträge ein Verdienstniveau garantieren, das deutlich über dem Mindestlohn liegt. Ein prominentes positives Beispiel dafür ist der jüngst im Januar vereinbarte Tarifabschluss der Gewerkschaft NGG für das nordrhein-westfälische Gastgewerbe. Zum 1. Mai klettert der Einstiegslohn in der Branche auf 12,50 Euro pro Stunde – 28 (!) Prozent mehr als bislang. Fachkräfte in der Küche, im Service oder Hotelmanagement kommen auf ein Plus von 17 Prozent.«

Man kann es drehen und wenden wie man will – aber die bereits angelaufenen und noch ausstehenden Tarifverhandlungen der Branchen im engeren Sinne (siehe die Tabelle) betreffen eine überschaubare Zahl an Branchen und in den beiden exportorientierten Schwergewichten, also der chemischen Industrie wie auch der Metallindustrie wird der Spielraum für deutliche Lohnerhöhungen durch die zahlreichen exogenen negativen Einflussfaktoren eingedampft werden. Allein durch den Verweis auf die turbulenten und außergewöhnlichen Entwicklungen wird die andere Verhandlungsseite substanzielle Lohnanhebungen abblocken können, ob einem das gefällt oder nicht.

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