Thomé Newsletter 43/2022 vom 06.11.2022

Thomé Newsletter 43/2022 vom 06.11.2022

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,mein heutiger Newsletter zu folgenden Themen:1. Bürger(hartz)geld-Gesetz I: Blockade des Gesetzes durch die Union
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Die Union droht zwei Monate vor der geplanten Einführung des Bürger(hartz)geldes am 1. Januar mit einer Blockade im Bundesrat. So bekommen die gesamten Desinformations- und Hetzkampagnen von Unionspolitiker*innen, Arbeitgeber*innen und deren Medien auf Trump – Niveau nun ihren Sinn. Damit wird die Blockade vorbereitet und propagandistisch untermauert. Ziel ist es natürlich, eigene Positionen maximal durchzudrücken oder sogar die Ampel ein paar Monate zappeln zu lassen, um dann eine bessere Verhandlungsposition zu haben. Am Bürgergeldgesetz hängen auch die neuen Regelleistungen, blockiert die Union das Gesetz gibt es diese nicht. Das wäre dramatisch für die Betroffenen.

Johannes Steffen hat diese gezielte Desinformationskampagne in einem Interview herausgearbeitet, das gibt es hier zum Nachlesen:  https://t1p.de/w4el3 Auf der Tacheleswebseite haben wir auch die Desinformationen deutlich widerlegt:   https://t1p.de/7qpq5

Was möchte denn eigentlich die Union?
Eine der schärfsten gewünschten Änderungen ist:  Es soll ein neuer “§ 8a Mitwirkungsbereitschaft” eingefügt werden, der einen vollständigen Entzug der Leistungen nach dem SGB II ermöglichen soll. Abs. 2 des Entwurfs: “Wer durch ausdrückliche Erklärung oder durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gibt, nachhaltig nicht bereit zu sein, den Verpflichtungen zur Annahme zumutbarer und existenzsichernder Arbeit nachzukommen (…) hat keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetzbuch;” Quelle: https://t1p.de/mq27s
Damit möchte die Union ein neues verschärftes Sanktionsrecht einführen, entgegen dem Urteil des BVerfG soll hier wieder die 100 % Sanktionen bis zur Obdachlosigkeit, Existenzvernichtung und bis zur kompletten Unterwerfung eingeführt werden. Getreu dem Motto: wer nicht arbeitet, soll auch nichts zu essen bekommen.

Fazit: kommt das Bürgergeldgesetz nicht und damit auch nicht die Regelleistungen für 2023, haben wir spätestens dann verfassungswidrige Regelleistungen. Bei einer derartigen Blockade durch die Union, könnten dann höhere Regelleistungen gerichtlich erstritten werden. Es ist davon auszugehen, dass für diesen Fall des parteipolitischen Gezänks das ein oder andere Sozialgericht die Messer wetzen wird.

Klagen gegen diese offen verfassungswidrigen Regelleistungen, dürften bei einer (voraussichtlichen) Inflationsrate von 10,4 % im Oktober 2022 ohne Probleme begründbar sein (Quelle Destatis: https://t1p.de/t4d6p). Das Bundesamt hat eine wertvolles Begründungsinstrument für solche Klagen entwickelt, nämlich einen persönlichen Inflationsrechner, mit dem diese sich auf einfach und konkret begründen ließen: https://service.destatis.de/inflationsrechner/

2. Bürger(hartz)geld-Gesetz II: Anhörung und BT-Entscheidung
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Der Ausschuss für Arbeit und Soziales befasst sich in einer öffentlichen Anhörung mit der Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zur Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz, 20/3873).

Die Sitzung beginnt am Montag, 7. November 2022, um 12.45 Uhr und dauert voraussichtlich zwei Stunden. Die Sitzung wird live im Parlamentsfernsehen und auf mobilen Endgeräten übertragen. Sachverständigenliste und auch die schon vorliegenden Stellungnahmen finden sich hier.

Die finale Abstimmung soll dann schon drei Tage später am Donnerstag, 10. November 2022, 9 Uhr nach knapp 70-minütiger Debatte erfolgen.

Schon in der letzten Woche war das Vorhaben Thema im Bundesrat. Die dortige Ausschuss-Empfehlung (BR-Drucksache 456/1/22) enthält viele Änderungen/Ergänzungen, die noch der kritischen Betrachtung bedürfen.
Für Tacheles wird der Kollege Frank Jäger auftreten. Dabei geht es nicht nur um den Gesetzentwurf, sondern auch um die Anträge der LINKEN (und der NoAfD).

Die Anhörung findet von 12.45 Uhr bis 14.45 Uhr statt und wird live auf www.bundestag.de übertragen. Weitere Infos dazu: https://t1p.de/hfxz1

Materialien auf dem Bundestagsserver: https://t1p.de/ixkk5 Einschließlich der Stellungnahmen

NomosWebinar: Das neue Bürgergeld 
Bereiten Sie sich rechtzeitig vor.

Prägnant, praxisbezogen und rechtzeitig vor dem 1.1. 2023 erläutern die Experten Prof. Dr. Daniel Herbe und Prof. Dr. Ingo Palsherm »Das neue Bürgergeld« in einem 1,5-stündigen Webinar. Konzentriert auf die Schwerpunkte des neuen Rechts lernen Sie, wo die Knackpunkte liegen und wie Kolleginnen und Kollegen damit umzugehen planen.

 

Die erwartete Einführung des Bürgergelds stellt eine Zeitenwende dar: Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld werden abgelöst, Qualifizierung und Weiterbildung sollen im Vordergrund stehen. Die Eingliederungsvereinbarung wird durch den Kooperationsplan ersetzt. Der Vermittlungsvorrang wird von der Regel zur Ausnahme.

 

TIPP:

Bezieher des Einführungsbuchs „Das neue Bürgergeld“  sparen 19,- € bei Buchung des Webinars.

 

Jetzt informieren und direkt buchen. Die Anzahl der Teilnehmer:innen ist je Webinartermin begrenzt. Die Zusage erfolgt nach zeitlichem Eingang!

 

Alle Informationen unter: www.nomos.de/buergergeld

3. Zur „Inflationsprämie“ durch Arbeitgeber in Höhe von 3000 €
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Im Rahmen des 3. Entlastungspakets wurde eine freiwillige „Inflationsprämie“ durch Arbeitgeber eingeführt, diese ist für Arbeitgeber steuer- und sozialversicherungsfrei in kann in Höhe von bis zu 3000 € pro Arbeitsnehmer gezahlt werden (§3 Nr. 11b EstG). Im SGB II ist diese Prämie anrechnungsfrei (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 ALG II –V). Es gibt allerdings auch Arbeitnehmer*innen, die Leistungen nach SGB XII bekommen, dort ist diese voll anzurechnen.Weitere Infos: https://t1p.de/hnbpc 

4. Tafeln verzeichnen Anstieg um 50 Prozent: Rund zwei Millionen Bedürftige
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Das sind die aktuelles Meldungen: Die Tafeln in Deutschland haben noch nie so vielen bedürftigen Menschen geholfen wie zurzeit. „Seit Jahresbeginn verzeichnen wir einen Anstieg der Kundinnen und Kunden von 50 Prozent“, sagte der Vorsitzende des Dachverbands Tafel Deutschland, Jochen Brühl, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Samstag. Insgesamt kämen etwa zwei Millionen Menschen (Quelle: https://t1p.de/us78h)

Diese Meldung ist ein Alarmruf, dass die Regelleistungen im SGB II/SGB XII/AsylbLG zu gering sind. Denn weil sie zu gering sind und nicht auf die Inflation angepasst wurden, müssen die Menschen zu den Tafeln.
Tafeln sind eine Ergänzung zu staatlichen Leistungen, es darf auf diese nicht statt staatlichen Leistungen verwiesen werden. Das dies materiell nicht möglich, belegen auch die Aufnahmestopps der Tafeln.
Der Kern ist: die Regelleistungen müssen dringend erhöht werden. Wie der Paritätische schon vor längerem ermittelt hat, sollten diese auf 678 Euro erhöht werden. Durch die Inflation sollten diese sogar eher noch höher sein. Zudem müssen Stromkosten aus den Regelleistungen raus und in die Unterkunftskosten rein genommen werden. Das sind die Eckpunkte derzeit.

5. Aktuelle Weisungen zum Wohngeld
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Zum 1.1.2023 kommt die große Wohngeldreform, hier werden sich die Wohngeldbeträge deutlich erhöhen, in der Folge auch die Mietobergrenzen im SGB II/SGB XII, insofern sie sich am Wohngeld orientieren. Für NRW gibt es schon die dahingehende Weisung vom Ministerium: https://t1p.de/1mbzx Und es gibt die Vollzugshinweise des BMWSB zum Heizkostenzuschussgesetz für WoGG-Empfänger: https://t1p.de/l3l2n

6. Kurzposition zum 49 € – Ticket
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Natürlich ist das 49 € – Ticket der Weg in die richtige Richtung. Es fehlen aber noch ein paar Schritte um diesen Weg geeignet auszugestalten. Denn 49 € kann sich kein SGB II-, SGB XII- und AsylbLG- beziehender Mensch leisten. Es sind lange noch nicht mal so viel Fahrtkosten im Regelsatz enthalten. Richtig wäre ein 20 € Ticket für arme Menschen. Laut Statistischem Bundesamt sind das rund 13 Millionen Personen, darin enthalten sind auch die Sozialleistungsbeziehenden.  Das wäre gerecht verteilt. Niedrige und bezahlbare Kosten für die Armen, höhere Kosten für die reicheren Menschen.
Der zweite Kritikpunkt ist: Es sind nicht nur die Kosten, sondern auch die Infrastruktur. Ständig fallen Busse, Züge und sogar Schwebebahnen aus, die Technik funktioniert nicht oder es fehlt an Personal. Jeder Winter und jeder Sommer kommt immer völlig unerwartet für die DB und die Technik streikt. Hier muss dringend ganz viel getan werden, denn da nützt auch kein 49 € Ticket, wenn nichts fährt.

7. BSG: Begleitung durch Vertrauensperson bei Untersuchung durch medizinischen Sachverständigen grundsätzlich zulässig
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Das BSG hat am 27. Okt. darüber entschieden, ob es zulässig ist Vertrauensperson bzw. einen Beistand  bei Untersuchung durch medizinischen Sachverständigen mitzubringen.
Das hat das BSG jetzt endlich bejaht (BSG 27.10.2022- B 9 SB 1/20 R).
Eine richtige und erfreuliche Position; mehr dazu: https://t1p.de/56oc6

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