Im Vorfeld der Landtagswahlen 2019: Zu den Ursachen des erstarkenden Rechtspopulismus – Studie von Bettina Kohlrausch

Abstiegsängste in Deutschland

Ausmaß und Ursachen in Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus

Bettina Kohlrausch

Eine Publikation in der Hans-Böckler-Stiftung

 

 

Die AfD wurde bei der Bundestagswahl 2017 – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß – von allen gesellschaftlichen Milieus gewählt. In Teilen der öffentlichen Debatte wurde daraufhin argumentiert, dass der Erfolg der AfD deshalb nicht mit der sozialen Lage der jeweiligen Wählerinnen und Wähler erklärt werden könne. Auch soziale Verunsicherung könne den Wahlerfolg der AfD nicht erklären, da Abstiegsängste, gemessen als Angst vor Arbeitslosigkeit, auf einem historisch niedrigen Stand seien. Statt einer sozialen Spaltung sei vor allem eine kulturelle Spaltung des Landes Ursache des Erstarkens der AfD.

Im Gegensatz zu dieser Deutung wird in diesem Papier argumentiert, dass soziale Verunsicherung und soziale Ängste wichtige Treiber der AfD Wahl sind. Die Operationalisierung von Abstiegsängsten als Angst vor Arbeitslosigkeit ist nicht ausreichend und führt deshalb zur Unter-schätzung sozialer Verunsicherung in der Bevölkerung. In diesem Papier wird daher eine differenzierte Erfassung des Ausmaßes und der Ur-sachen von sozialen Ängsten und sozialer Verunsicherung vorgenommen. Es wird gezeigt, dass Ängste um die Arbeitsplatzsituation, die Sorge um die kurzfristige und langfristige Verschlechterung der individuellen finanziellen Situation, des generellen Lebensstandards oder vor Verschlechterungen im Arbeitskontext nicht deckungsgleich sind und unterschiedlich weite Teile der Bevölkerung betreffen.

Auswertungen eines online-panels zeigen, dass Abstiegsängste bis weit in die Mittelschichten hineinreichen und auch Personen mit einem relativ hohen Nettoeinkommen betreffen:

  • Im Januar 2017 machten sich ca. 25 Prozent der Befragten große oder sehr große Sorgen um ihre Arbeitsplatzplatzsituation. Wesentlich mehr Personen jedoch (39 Prozent) gaben an, sich große oder sehr große Sorgen um die eigene finanzielle Situation zu machen, fast die Hälfte (49 Prozent) machten sich Sorgen oder große Sorgen um ihre finanzielle Situation im Alter und stimmten der Aussage zu (47 Prozent) „Ich befürchte meinen Lebensstandard nicht dauerhaft halten zu können“.

Viele Personen haben offensichtlich Angst um ihren sozialen Status, obwohl sie nicht um ihren Job fürchten.

  • Die Befunde zeigen deutlich, dass Abstiegsängste bei Bevölkerungs-gruppen am stärksten ausgeprägt sind, die über ein geringes Einkommen verfügen und sich am unteren Rand der Gesellschaft verorten.

Die soziale Lage ist damit entscheidend für das Ausmaß von Abstiegsängsten. Gleichwohl betrifft insbesondere die Sorge, den eigenen Lebensstandard nicht langfristig halten zu können, nicht nur Ge-ringverdienende und Personen, die sich selbst zum unteren Teil der Gesellschaft zugehörig fühlen.

  • Abstiegsängste reflektieren somit ein Gefühl der sozialen Verunsicherung, das sich in den unteren sozialen Schichten mit einer schwierigen materiellen Situation erklären lässt. Sie betrifft aber auch Personen, die nicht unmittelbar von einem sozialen Abstieg bedroht sind.

Es scheint somit nicht nur um die konkrete Erfahrung sozialer Ausgrenzung oder sozialen Abstiegs zu gehen, sondern vielmehr um die Angst davor. Diese Angst speist sich aus konkreten Erfahrungen, insbesondere im Arbeitskontext. Dieses eher diffuse Gefühl einer sozialen Verunsicherung macht sich die AfD zu nutze. Eine Politik, die dem etwas entgegensetzen möchte, sollte daher einerseits Angebote zu einer besseren sozialen Absicherung der unteren sozialen Schichten machen. Anderer-seits ist besser zu vermitteln, dass die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen politisch gestaltbar sind.

Hier findet man/frau die komplette Studie von Bettina Kohlrausch:

https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_058_2018.pdf

 

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