Niederlande: „Die AOW-Grundrente beträgt für Alleinstehende ab Januar 2021 unter Berücksichtigung reduzierter Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge einheitlich monatlich 1218,19 Euro.“

Gutachten des Bundestags zeigt Grundsicherung im Alter in den Niederlanden viel höher: Was können wir uns abschauen?

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages publizierte jüngst ein Gutachten zur „Alterssicherung in den Niederlanden“. Es wird deutlich: Unser westliches Nachbarland hat ein anderes staatliches Rentensystem als Deutschland – und es scheint besser zu funktionieren. Die Rentner bekommen mehr Geld.

Ein zentrales Ergebnis des Vergleichs zwischen dem deutschen und dem niederländischen staatlichen Rentensystems: Ruheständler beziehen bei unserem wesentlichen Nachbarn deutlich höhere Renten als Bundesbürger. So liegt die niederländische Grundrente, die am ehesten der Grundsicherung in Deutschland entspricht, aktuell bei 1218 Euro. Das zeigt das Bundestags-Gutachten.

https://www.bundestag.de/resource/blob/820386/1dde9bc2610cc500264598503e2f362d/WD-6-106-20-pdf-data.pdf

Niederländer bekommen Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung

Das niederländische System der Alterssicherung kennt ein mehrstufiges Modell, das sich in entscheidenden Punkten vom deutschen unterscheidet.

Das Gutachten beschreibt die erste Säule so: „Mit der Algemene Ouderdomswet (AOW) besteht zur Mindestsicherung eine beitragsfinanzierte Grundrente, die jedem Einwohner im Alter unabhängig von der tatsächlichen Beitragszahlung und ohne Bedürftigkeitsprüfung zusteht.“ Die Höhe der Grundrente ist gekoppelt an die Dauer des Wohnsitzes in den Niederlanden. Nur wer dort 50 Jahre lebt, bekommt die volle Rente.

Grundrente für Singles beträgt 1218 Euro im Monat

Alleinstehende erhalten als volle Altersrente 70 Prozent des Nettomindestlohns, beschreibt das Gutachten die Besonderheiten des niederländischen Modells.

Daraus ergibt sich: „Die AOW-Grundrente beträgt für Alleinstehende ab Januar 2021 unter Berücksichtigung reduzierter Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge einheitlich monatlich 1218,19 Euro.“

Verheiratete oder mit einem Partner in einem gemeinsamen Haushalt Lebende erhalten als volle Altersrente jeweils 50 Prozent des Nettomindestlohns. Seit Januar 2021 beträgt die AOW-Grundrente für Verheiratete oder mit einem Partner in einem gemeinsamen Haushalt Lebende monatlich 832,86 Euro. Paare kommen also auf 1665,72 Euro pro Monat. Die reduzierte Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträge sind in den Beträgen eingerechnet.

Damit liegt die niederländische Grundrente deutlich höher als die deutsche Grundsicherung im Alter. Auch die neue Grundrente kann damit nicht konkurrieren: Der Zuschlag erreicht im Schnitt 75 Euro pro Monat. Maximal sind 418 Euro möglich.

Grundrenten-Empfänger in Deutschland müssen mindestens 33 Jahre Beitragszahlungen in die Rentenkasse nachweisen – sonst gehen sie leer aus. Im Gegensatz dazu fließt die Grundrente in den Niederlanden unabhängig von den Beitragszahlungen des jeweiligen Empfängers.

Alle Einkommensbezieher finanzieren die Rente in den Niederlanden

Die Altersrente aus der AOW soll das Existenzminimum im Alter sicherstellen. An der Finanzierung beteiligen sich alle Bezieher von steuerpflichtigen Einkommen. Sie zahlen für ihre Einkommen bis maximal 35.130 Euro jährlich Abgaben von 17,9 Prozent. Das bedeutet: Alle monatlichen Einkommen bis zu 2927,50 Euro werden mit der Abgabe belegt.

Weitere Besonderheiten des niederländischen Modells: Arbeitgeber beteiligen sich nicht an der beitragsfinanzierten Grundrente. Bürger ohne Beschäftigung sowie Personen, deren Einkommen unterhalb eines steuerlichen Grundfreibetrags liegen, sind beitragsfrei versichert.

Doch auch das niederländische System kennt strenge Vorgaben, damit die Grundrente in der oben genannten Höhe fließt. Dafür sind wichtig:

  • Anzahl der Versicherungsjahre in der AOW
  • Höhe des in den Niederlanden gesetzlich festgelegten Mindestlohns bei einer Vollzeitbeschäftigung
  • Wohnsituation als alleinstehender oder in einer Haushaltsgemeinschaft lebender Personen

Die Anzahl der Versicherungsjahre ergibt sich bereits aus dem gewöhnlichen Wohnsitz in den Niederlanden. Bei ununterbrochener Versicherungsdauer von 50 Jahren besteht Anspruch auf die volle Altersrente. Für jedes nicht versicherte Jahr mindert sich der Anspruch um zwei Prozent.

Demographischer Wandel führt zu einem Anstieg des Rentenalters auf 71 Jahre

Auch die niederländische Gesellschaft erlebt einen demographischen Wandel: Die Bürger werden immer älter, Renten müssen immer länger bezahlt werden.

Deshalb wird die Altersgrenze für eine Rente seit 2013 schrittweise von 65 auf aktuell 66 Jahre und vier Monate angehoben. Doch das ist nur ein Zwischenschritt. Laut den Prognosen „wird das Renteneintrittsalter in den Niederlanden im Jahr 2067 voraussichtlich 71 Jahre erreichen“, wie es in dem Gutachten heißt.

Das niederländische staatliche Rentenmodell bezieht also die steigende Lebenserwartung der Bürger konsequent mit ein. Deshalb ist folgerichtig, dass die Niederlande keinen vorzeitigen Bezug einer Altersrente aus der AOW gestatten.

Betriebliche und private Altersvorsorge

Zur Grundrente AOW kommen bei unserem westlichen Nachbarn noch betriebliche Altersversorgung (bAV) sowie private Vorsorge und Vermögensbildung. Diese beiden Säulen dienen der Sicherung des gewohnten Lebensstandards im Alter. Leistungen aus beiden Säulen sind kapitalgedeckt, die bAV erfasst allein Beschäftigte.

Die private Altersvorsorge hat in den Niederlanden nur begrenzte Bedeutung. Als Grund gibt das Gutachten an, dass die an nahezu alle Personen gezahlte Grundrente sowie die „weit verbreitete betriebliche Altersversorgung“ zur Finanzierung des Alters ausreichen.

Deutlich geringere Gefahr von Altersarmut

Verglichen mit dem deutschen Rentensystem wirkt das niederländische Modell großzügig.

Kaum überraschend, dass die Gefahr der Altersarmut in den Niederlanden somit deutlich niedriger liegt als in Deutschland. Dazu heißt es in dem Gutachten: „Der Anteil der über 65-Jährigen mit einem Einkommen von weniger als 50 Prozent des verfügbaren Medianeinkommens ist mit 3,1 Prozent in den Niederlanden sehr niedrig“. Der Vergleichswert in den OECD-Staaten liegt danach bei 13,5 Prozent. In Deutschland erreicht das Risiko der Altersarmut nach dieser Berechnung 9,6 Prozent.

Die OECD ist ein eine Vereinigung von 30 westlichen Industriestaaten. Zu ihr gehören unter anderem Belgien, Deutschland, Frankreich, Israel, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Österreich, Polen, die Schweiz, Spanien, die Türkei, Großbritannien und die USA.

Sicherungsniveau in Niederlanden höher als in Deutschland

Das Bundestags-Gutachten vergleicht die Höhe der staatlichen Altersabsicherung zwischen Deutschland und den Niederlanden. Dafür untersuchen die Studienautoren die jeweilige Höhe des Sicherungsniveaus. Darunter verstehen die Experten „das Verhältnis der Altersbezüge zum letzten Einkommen“.

Dazu führt die Studie aus: „Die hierfür unter anderem von der OECD gebräuchliche Nettoersatzrate liegt für einen Durchschnittsverdiener mit voller Berufstätigkeit in den Niederlanden durch die hohe Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung mit 80 Prozent weit über dem OECD-Durchschnitt von 63 Prozent. … Für Deutschland ergibt sich eine deutlich niedrigere Nettoersatzrate von 52 Prozent.“

Als „Nettoersatzrate“ bezeichnet Experten das Verhältnis zwischen der Rentenhöhe und dem Nettoeinkommen vor Rentenantritt, wie die Friedrich-Ebert-Stiftung erläutert.

Linken-Fraktionschef Diemar Bartsch kommentiert das Ergebnis des Bundestags-Gutachtens so: „Die Alterssicherung in den Niederlanden kann offenkundig zwei entscheidende Dinge besser als die deutsche: Altersarmut verhindern und den Lebensstandard der Bürger im Alter sichern.“

Die genannten Werte zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Niederlanden und Deutschland. Allerdings hat das Bundestags-Gutachten in seinem Vergleich nur die jeweiligen gesetzlichen Rentenversicherungen einbezogen. Die Altersbezüge (auch) der Bundesbürger speisen sich aber nur zu einem Teil aus den Zahlungen der Rentenversicherung. Deshalb ist der oben genannte niedrige Wert für deutsche Rentner zu relativieren.

Durchschnittliche Altersrente in Deutschland beträgt 951 Euro

Was lediglich die Zahlungen der Deutschen Rentenversicherung angeht, lag die durchschnittliche Altersrente in Deutschland am 1. Juli 2019 bei 951,87 Euro pro Monat. Männer kamen im Schnitt auf 1186,74 Euro, Frauen auf 764,27 Euro. Diese Zahlen weist die Bundesregierung im Rentenversicherungsbericht 2020 aus. Das sind die aktuellsten Statistiken.

Bei den Werten handelt es sich um die sogenannten Rentenzahlbeträge. Sie sind bereits reduziert um den Eigenanteil an den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Quelle: Focus 12.2.2021

 

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Ein Kommentar

  • Karl-Heinz Kohlhas

    Hallo, alle. Gut. Aber was klafft hier eine Lücke zwischen Arbeitnehmer und Beamtentum.

    Aber gut finde ich, dass nun da alle in die Rentenkasse einzahlen. So wie es sich liest, ist es nun vorbei in Holland, dass Beamte in Holland eine soviel höhere Rente bekommen wie hier. Ja auch Einkommensmillionäre müssten zahlen.

    Hier hört man darüber nichts aus Berlin.

    Man wird sich dann wieder mit den neu obendrauf gesattelten Staatsschulden rausreden. Obwohl wie meint Herr Scholz doch, wir können die Schuldenmacherei und Verteilung an die Wirtschaft noch lange durchhalten.

    Fazit: wir Rentner werden wohl auf unbestimmte Zeit nichts bekommen. Es kommen aber immer mehr Rentner hinzu die ihre Rente bei diesen von den Holländern jetzt gezahlten Renten Versteuern müssen. Ja ich befürchte es wird weiter sinken.

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