Es drohe ein Kollaps auf dem sozialen Wohnungsmarkt, warnt das Bündnis „Soziales Wohnen“.

Sozialwohnungsnot: 50 Mrd. Euro für einen Bauwumms oder braucht es etwas anderes, um die neue alte soziale Frage anzugehen?

Wenn es um die sozialpolitisch relevante Frage einer ausreichenden Versorgung mit Wohnraum geht, dann sprechen wir nicht über Stilfragen der Wohnungsausstattung oder der Komfortintensität, sondern es geht um einen seit Jahren zunehmenden Mangel an Wohnraum überhaupt, jedenfalls in bestimmten Städten und Regionen, in Verbindung mit einer stark wachsenden Gruppe an Menschen, die bereits da sind sowie Menschen, die aus welchen Gründen auch immer zu uns kommen und einer Unterbringung bedürfen. Bereits die Versorgung derjenigen, die hier sind, mit halbwegs bezahlbaren Wohnraum gestaltet sich schwierig, die Unterbringung der vielen Menschen, die aus Fluchtgründen zu uns kommen (werden), stellt vielerorts eine immer größer werdende Zahl an Kommunen vor schwer lösbare Aufgaben. Dabei ist das hier angesprochene Problem nicht flächendeckend, sondern teilweise hochgradig konzentriert, da sowohl diejenigen, die schon da sind, bezahlbaren Wohnraum nicht gleichverteilt über die Bundesrepublik suchen und auch diejenigen, die nach Deutschland zuwandern, in bestimmten Regionen und Städten suchen. Und man sollte neben der im vergangenen Jahr wieder stark gestiegenen Zahl an Zuwanderern aus Fluchtgründen, sowohl aus der Ukraine wie auch aus den „klassischen“ Asylherkunftsländern, nicht vergessen, dass von vielen Seiten unmissverständlich eine Zuwanderung von hunderttausenden Menschen pro Jahr aus Arbeitsmarktgründen als notwendig erachtet wird – die dann aber auch Wohnraum brauchen und den ebenfalls nicht gleichverteilt über unser Land, sondern in den Regionen, in denen die Jobs zu finden sind bzw. wo die Arbeitskräfte dringend gebraucht werden.

Ein milliardenschwerer Bauwumms!?

»Es drohe ein Kollaps auf dem sozialen Wohnungsmarkt, warnt das Bündnis „Soziales Wohnen“. Um diesen abzuwenden müsse der Bund müsse ein Sondervermögen auflegen. Dafür seien mindestens 50 Milliarden Euro notwendig – zumindest für den Anfang«, so diese Meldung: Bündnis fordert Sondervermögen. Der Bericht greift das hier auf: »So laut wie jetzt haben die Alarmglocken des Wohnungsmangels schon lange nicht mehr geschrillt. Das Bündnis „Soziales Wohnen“ warnt: Deutschland steht vor einer neuen und in ihrer Dimension beängstigenden Sozialwohnungsnot in diesem Jahr.« Das Verbändebündnis Soziales Wohnen – ein Zusammenschluss von Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden – hat im Januar 2023 diese Forderung veröffentlicht: „Sondervermögen „Soziales Wohnen“ von 50 Mrd. Euro notwendig.“ Basis der alarmierenden Prognose und der in Euro konkretisierten Forderung ist eine Wohnungsbau-Studie, die das Pestel-Institut (Hannover) und das schleswig-holsteinische Bauforschungsinstitut ARGE (Kiel) im Auftrag des Bündnisses erstellt haben.

➔ Pestel-Institut und ARGE Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (2023): Bauen und Wohnen in der Krise. Aktuelle Entwicklungen und Rückwirkungen auf Wohnungsbau und Wohnungsmärkte. Auftraggeber Verbändebündnis „Soziales Wohnen“, Hannover, Januar 2023

Es geht in der Studie und bei den Forderungen des Verbändebündnisses nicht (nur) um den Wohnungsmangel insgesamt, der ja gerade in den boomenden Regionen auch schon weite Teile der Mittelschicht schmerzhaft erreicht hat, sondern ein besonderer Blick wird auf die vielen Menschen „unten“ geworfen, wo die Not am größten ist, da hier die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage am stärksten auseinandergegangen ist. Wenig Angebot bei viel Nachfrage.

➔ In der Gesamtbetrachtung des Wohnungsbedarfs kommt die Studie zu diesem Befund: »Nachdem sich die Wohnungsmarktsituation in den Corona-Jahren 2020 und 2021 leicht entspannt hatte und die Wohnungsdefizite deutlich gesunken waren, stiegen die Defizite im Jahr 2022 wieder deutlich an, bisher ausgeglichene Märkte weisen wieder Defizite auf und in bisherigen Überhangregionen haben sich die Leerstände erheblich vermindert. Für das Jahresende 2022 ist von Wohnungsdefiziten in einer Größenordnung von 700.000 Wohnungen auszugehen. Dies ist mehr als die doppelte Jahresproduktion an Wohnungen.« (Pestel-Institut/ARGE 2023: 12). Der Abbau der bereits aufgelaufenen Wohnraumdefizite (die genannten 700.000 fehlenden Wohnungen wären das größte Wohnungsdefizit seit mehr als zwanzig Jahren) in Verbindung mit der Schaffung von zusätzlichen Wohnraum für die, die zu uns kommen (werden), stellt sich bereits als herkulische Aufgabe dar. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass dort, wo der Bedarf und der Angebotsmangel am allergrößten ist, am wenigstens passiert (ist) und auch keine Trendwende erkennbar ist. Ganz im Gegenteil.

Denn hinsichtlich der vielen, die besonders auf halbwegs bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind, der oftmals nur im Segment des sozialen Wohnungsbaus zu finden ist, kommt seit längerem eine bittere Botschaft dazu: Gerade dieses so bedeutsame Segment des Wohnungsmarktes schrumpft und schrumpft.

Im vergangenen Jahr sind dem Bündnis zufolge in Deutschland lediglich rund 20.000 Sozialwohnungen neu gebaut worden – das Ziel der Bundesregierung sieht aber den Bau von jährlich 100.000 vor. Denn jedes Jahr fallen auch zahlreiche Wohnungen aus der sogenannten Sozialbindung heraus.

»In den neunziger Jahren gab es in Deutschland rund drei Millionen Sozialwohnungen, heute sind es noch 1,1 Millionen«, so Peter Sonnenberg in seinem Beitrag unter der Überschrift Millionen Sozialwohnungen fehlen. Dabei sollte es doch nun endlich anders werden: »100.000 neue Sozialwohnungen wollte sie vergangenes Jahr schaffen, am Ende des Jahres gab es in Deutschland etwa 27.000 Sozialwohnungen weniger als im Jahr zuvor. Die Zahl der nach 25 bis 30 Jahren aus der Mietbindung gefallenen Wohnungen überstieg die Zahl der geförderten Neubauten.« Und das, obgleich die Bundesregierung mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt hat.

Zusätzliches Geld gibt es vom Bund zwar für den sozialen Wohnungsbau – die jährliche Förderung wurde von Bauministerin Geywitz von einer auf zwei Milliarden Euro erhöht. Trotz dieser Verdoppelung der Fördermittel: Das reiche bei weitem nicht aus, urteilt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts: »Denn die Baukostensteigerungen würden einen Großteil der Förderung gleich wieder kompensieren. Anders gesagt: Mit der gleichen Menge an Förderung können weniger neue Sozialwohnungen gebaut werden als noch vor zwei Jahren«, so seine Einschätzung, über die in diesem Artikel berichtet wird: Warum zu wenige Wohnungen gebaut werden. Die Folge: Auch der Sozialwohnungsbau kommt nicht von der Stelle. Anstatt der von der Bundesregierung angepeilten 100.000 neuen Sozialwohnungen wurden im vergangenen Jahr nur rund 20.000 Sozialwohnungen gebaut.

Gerade in diesen Zeiten ist das fatal: »Dabei würden gerade jetzt mehr Sozialwohnungen gebraucht, sagt Günther – und verweist auf die Zuwanderung. Nach einer Nettozuwanderung von gut 200.000 Menschen im Jahr 2020 und mehr als 300.000 Menschen im Jahr 2021 dürften im vergangenen Jahr 1,5 Millionen Menschen mehr nach Deutschland gekommen als weggezogen sein – genau das besagt der Begriff der Nettozuwanderung. „All diese Menschen brauchen Mietwohnungen“, sagt Pestel.«

➞ Die Reaktion der Bundesbauministerin Klara Geywitz ist aufschlussreich: Sie setzt zwar auf weitere Förderung – aber nicht allein durch zusätzliche Gelder. »Sie verweist darauf, dass die Bautätigkeit schon in den vergangenen Jahren an ihre Grenzen gekommen sei: Deshalb könne man nicht immer nur mehr Geld in das System geben, weil dies bei begrenzten Kapazitäten nur die Preise weiter anheizen würde. „Wir müssen vielmehr die Produktivität steigern, um die Kapazitäten im Bausektor auszubauen.“ Chancen sieht sie in der weiteren Digitalisierung der Branche. Außerdem arbeite die Bundesregierung daran, Genehmigungs- und Planungsverfahren zu vereinfachen.«
Mehr „Digitalisierung“ und „Bürokratieabbau“ – wenn man so etwas in Deutschland 2023 zu hören bekommt, hat man allen Grund, skeptisch zu sein und zu vermuten, dass hier die üblichen Nebelkerzen gezündet werden.

Das Verbändebündnis fordert vor diesem Hintergrund ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro für den Sozialen Wohnungsbau. „Es bedarf eines Wumms“, so Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. »Neben dem Sondervermögen müsse die Regierung die Mehrwertsteuer für den sozialen Wohnungsbau von 19 auf 7 Prozent senken. Zudem bräuchte es schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren«, so dieser Artikel: Bündnis für Bauwumms. Dabei muss man auch im Bereich des Sozialen Wohnungsbaus beachten, dass es teilweise eine erhebliche Streuung zwischen den Bundesländern gibt, der Bund ist ja nur ein Akteur auf diesem Feld der Wohnungspolitik. Die vom Verbändebündnis in Auftrag gegebene Studie »geht davon aus, dass 2022 nur etwa 20.000 Sozialwohnungen gebaut wurden. Dabei gäbe es bei den Ländern eine sehr unterschiedliche Bereitschaft, den Neubau von Sozialwohnungen zu fördern. „Spitzenreiter und damit Musterland des sozialen Wohnungsbaus ist unbestritten Hamburg“, so das Bündnis. Bezogen auf die investierten Fördergelder folge auf Hamburg Bayern und Schleswig-Holstein. Vorn liegt Hamburg laut Studie auch bei den neu geschaffenen Mietwohnungen 2017 bis 2021. Vorbild in puncto Bürokratieabbau sei Schleswig-Holstein. Dort werde ein Förderantrag für den Sozialwohnungsbau meist innerhalb von vier Wochen bearbeitet.«

Schauen wir noch einmal in die Studie vom Pestel-Institut/ARGE (2023: 41) hinsichtlich des Bedarfs – das scheint die Forderung nach einem zweistelligen Milliardenbetrag für einen „Bauwumms“ zu legitimieren: »Der Wohnungsbedarf basiert demografisch auf der Entwicklung der Zahl an Erwachsenen und dem Haushaltsbildungsverhalten. Gegenwärtig ist von einer weiteren Zunahme der erwachsenen Bevölkerung und einer, wenn auch abgeschwächten, weiteren Reduzierung der durchschnittlichen Haushaltsgröße auszugehen. Entsprechend wird die Zahl der Haushalte weiter zunehmen. Die zweite Komponente des Wohnungsbedarfs liegt im Abbau der gegenwärtigen Wohnungsdefizite, die gerade im Jahr 2022 wieder auf etwa 700.000 Wohnungen angestiegen sind. Der dritte Aspekt des Wohnungsbedarf ist der qualitative Bedarf. Rund 10 Prozent des Wohnungsbestandes gelten als technisch/wirtschaftlich nicht sanierungsfähig und sollten bis 2045 ersetzt werden. In der Summe ergibt sich bis zum Jahr 2045 ein Wohnungsbedarf in einer Größenordnung von 350.000 bis 400.000 Wohnungen je Jahr.« Und das wir so oder anders einen in erheblicher Größenordnung subventionierten Markt für Neubauten brauchen, wenn dieser Wohnraum halbwegs bezahlbar gehalten werden soll, erschließt sich auch aus solchen Größenordnungen:

»Die Gestehungskosten (Investitionskosten) für Wohnraum in deutschen Großstädten liegen aktuell im Median bei ca. 4.900 €/m2. Ein aktuell frei finanziert errichteter Wohnungsbau lässt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine Kaltmiete von unter ca. 16,50 € nicht mehr zu. Besondere Kostentreiber sind die technischen Anforderungen, insbesondere für die Energieeffizienz, die Baulandpreise und regelmäßig zusätzliche, spezifische Standortanforderungen bei innerstädtischen Bauprojekten. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie (Störung der Lieferketten und Materialengpässe) sowie des Ukraine-Krieges (starke Materialengpässe und extreme Energiekostensteigerungen) wirken ebenfalls kosten- und preistreibend.« (S. 42; Hervorhebungen nicht im Original). Hinzu muss mit Blick auf die zukünftigen Bedarfe berücksichtigt werden: »Die Realisierungsdauer von Wohnungsbauvorhaben verlängert sich kontinuierlich seit Jahren. Das Segment des bezahlbaren/sozialen Wohnraums verlängert sich in seiner Realisierung drastischer als der Eigentumssektor. Der Median der Realisierungsdauer von Bauvorhaben bezahlbaren/sozialen Segment liegt mittlerweile bei fast 60 Monaten.«

Das alles scheint für die Forderung des Verbändebündnisses zu sprechen – auch wenn die Reaktion der Bundesbauministerin bereits verdeutlicht hat, dass man damit nicht wird rechnen können.

Gibt es noch etwas anderes als ein 50 Mrd. Euro schwerer (sozialer) Bauwumms zu den bestehenden Bedingungen?

Die Forderung des Verbändebündnisses sei angesichts des Mangels und der Bedarfe sicher berechtigt, so Barbara Dribbusch in ihrem Artikel Umverteilung von unten nach oben – »nur schleicht sich sofort der Gedanke ein, dass diese 50 Milliarden Euro aus Steuergeldern nicht kommen werden.« Sie beschreibt die Dramatik die Wohnungskrise so: »In Berlin etwa wohnen Tausende Geflüchtete mit dauerhaftem Aufenthaltsstatus schon seit Jahren in Heimzimmern, ohne Aussicht auf eine eigene Wohnung. In ihrer Nachbarschaft entstehen Drei-Zimmer-Neubauwohnungen für 750.000 Euro, die man sich ohne Erbschaft kaum leisten kann.« In den Metropolen werde Wohnraum geschaffen, »den sich meist nur eine finanzielle Oberschicht leisten kann.« Was müsste ihrer Meinung nach getan werden? »Neben einer stärkeren finanziellen Förderung sind daher Maßnahmen sinnvoll, die diesen Ausverkauf begrenzen. Landeseigene Flächen sollten nur noch in Erbbaupacht für den Wohnungsbau mit langer Sozialbindung freigegeben werden, wie es mancherorts schon geschieht. Eine neue Gemeinnützigkeit beim Wohnungsbau muss entstehen, das sieht auch der Koalitionsvertrag vor. Darüber hinaus wäre es hilfreich, die Fixierung auf die Metropolen zu überdenken und das Wohnen im Umland und in kleineren Städten nicht mehr als eine Art „Provinzialismus“ abzutun. Die Zeit dafür ist günstig: Arbeitskräfte werden in vielen Regionen gesucht. Das Arbeiten im Homeoffice in vielen Berufen, wenn man nur noch zwei Tage in der Woche in die Firma fahren muss, eröffnet neue Perspektiven für die Wohnraumsuche in billigeren Gegenden.«

An dieser Stelle soll es weniger um die von Dribbusch grundsätzlich aufgeworfene Frage gehen, ob man sich nicht verabschieden sollte von der Fixierung auf neuen (und dann auch noch bezahlbaren) Wohnraum in den Metropolen wie Berlin, sondern sie gibt einen Hinweis auf eine andere Herangehensweise, wenn sie auf die „neue Gemeinnützigkeit beim Wohnungsbau“ verweist, die es als Forderung sogar in den Koalitionsvertrag geschafft hat.

Um das besser einordnen zu können, muss man einen Blick werfen auf die heute gegebene Fördersystematik beim sozialen Wohnungsbau: »Die soziale Wohnraumförderung, häufig auch als sozialer Wohnungsbau bezeichnet, … sondern fördert den Bau oder die Modernisierung von Wohnraum. Die konkreten Förderbedingungen richten sich nach den jeweiligen Vorgaben der Bundesländer, die seit 2006 für die soziale Wohnraumförderung zuständig sind. Üblicherweise beinhalten die Förderbedingungen zinsgünstige Darlehen sowie Zuschüsse für den Fördermittelnehmer oder Investor, der im Gegenzug eine zeitlich befristete Mietpreis- und Belegungsbindung für die geförderte Wohnung eingeht. Während die Mietpreisbindung ein niedrigeres Mietniveau festlegt, orientiert etwa an der ortsüblichen Vergleichsmiete, wird durch die Belegungsbindung das Verfahren der Wohnraumvergabe geregelt. So ist es üblich, dass die kommunalen Stellen der Wohnraumvermittlung das Recht haben, Haushalte für frei werdende geförderte Wohnungen vorzuschlagen, unter denen der Fördermittelnehmer beziehungsweise Vermieter von gefördertem Wohnraum bei der Vermietung auswählen kann.« (Quelle: Max-Christopher Krapp: Wohnungspolitische Instrumente ohne Wirkung? Aktuelle Herausforderungen der sozialen Absicherung des Wohnens, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 51-52/2022)

➔ Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 findet man dazu diese Ausführungen: »Wir werden ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ mit allen wichtigen Akteuren schließen. Wir werden zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen und so eine neue Dynamik in den Bau und die dauerhafte Sozialbindung bezahlbaren Wohnraums erzeugen. Sie soll nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit die Struktur der etablierten Wohnungswirtschaft ergänzen, ohne diese zu benachteiligen.« (S. 69)

Hier verbirgt sich eine lange und kontroverse Debatte über die Frage, wie man denn sozialen Wohnungsbau betreiben sollte und ob es ein Fehler war, die lange Traditionslinie des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Westdeutschland abzubrechen. Damit verbunden ist eine Kritik an der bestehenden Form der Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Dazu aus einem Interview mit Ulrike Hamann, das im Januar 2023 unter der Überschrift „Das ist ein Konstruktionsfehler“ veröffentlicht wurde. Dort spricht sie von „alten Fehlern“: »Die Fördersystematik funktioniert ja bislang so: Private Eigentümer bekommen vom Staat Fördergelder dafür, dass gebaute Wohnungen temporär belegungsgebunden sind. Das heißt, die Wohnungen werden an Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein vergeben und die Mieten sind relativ günstig. Aber diese Sozialbindung ist zeitlich begrenzt, und kann auch vorzeitig aufgehoben werden, wenn die Ei­gen­tü­me­r*in­nen ihre Darlehen früher zurückzahlen. In Berlin beträgt die Sozialbindung 30 Jahre, die Dauer variiert in den einzelnen Bundesländern. Danach können die Wohnungen nach den Regeln des freien Markts vermietet werden. Das ist doch ein Konstruktionsfehler.« Warum aber werden Sozialwohnungen überhaupt zeitlich befristet? »Die landeseigenen Wohnungsunternehmen haben nicht genügend Baukapazitäten, deshalb wollte man die privaten Eigentümer zum Bauen motivieren. Nur diese haben kein Interesse daran, dauerhaft niedrige Mieten zu nehmen, also wird die Belegungsbindung zeitlich befristet.« Für Ulrike Hamann ist der soziale Wohnungsbau »eine staatliche Eigentumsförderung für Privatpersonen, Fonds und Unternehmen mit einer sozialen Zwischennutzung. Die Allgemeinheit profitiert davon nicht dauerhaft.«

Mit der Abschaffung der alten Wohngemeinnützigkeit 1990 wurde ein ganzer Teilbereich auf dem Wohnungsmarkt, der nicht gewinnorientiert war, abgeschafft. Zusätzlich wurde die Förderung für den sozialen Wohnungsbau immer weiter eingedampft, auch weil es Kritik an den Großwohnsiedlungen gab, die mit dem sozialen Wohnungsbau entstanden sind. Nun soll es einen neuen Anlauf geben: Die Ampel-Koalition will eine neue Wohngemeinnützigkeit einführen: Gemeinwohlorientierte Wohnungsbauunternehmen, die dauerhaft günstigen Wohnraum schaffen, bekommen dann steuerliche Vorteile. Dazu Hamann: »Das Ziel ist, wieder einen nicht gewinnorientierten Sektor aufzubauen, der langfristige Bindungen und leistbaren Wohnraum bietet. Das ist insbesondere in den Zeiten explodierender Mieten dringend nötig, denn Wohnen ist Teil der Daseinsvorsorge.« Selbst wenn das kommen sollte – ein Entwurf ist für das Frühjahr 2023 in Aussicht gestellt – bleibt ein Problem: Die »landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind gar nicht in der Lage, so viel selbst zu bauen. Das heißt, momentan kommen wir gar nicht an der privaten Bauwirtschaft vorbei.« Dabei könnte man auf eine Trendwende in der privaten Immobilienwirtschaft hoffen, so Hamann: »Angesichts der steigenden Bauzinsen und Unsicherheiten wird der soziale Wohnungsbau wieder attraktiver. Denn er garantiert ja über einen langen Zeitraum immerhin eine kleinere Rendite.«

Selbst wenn es diesen Trend geben sollte, was nicht wirklich sicher ist, kommt es auf weitere Stellschrauben an, an denen man durchaus drehen kann, wie das Beispiel Hamburg gezeigt hat: »In Berlin gilt nach wie vor eine Bindungsdauer von 30 Jahren. In Hamburg dürfen landeseigene Grundstücke nicht mehr verkauft, sondern nur noch per Erbbaupacht vergeben werden – und zwar unter der Bedingung, dass darauf ein bestimmter Anteil von Sozialwohnungen entsteht mit einer Bindungsdauer von einhundert Jahren. Hamburg hat also vorgemacht, dass fast dauerhafte Bindungen bei Sozialwohnungen möglich sind.«

Natürlich landet man auch als Vertreter einer Wiederbelebung des gemeinnützigen Wohnungsbaus, der vor vielen Jahren weitgehend abgewickelt worden ist, bei der Forderung nach erheblichen Investitionsmitteln angesichts des notwendigen Bedarfs (neben der nicht-trivialen Frage, wer das denn praktisch machen kann). Und neben dieser Problematik kommt als weitere Herausforderung hinzu, dass die auch klimapolitisch durchaus gut begründbaren Anforderungen an den Neubau die Kosten eindeutig nach oben treiben (müssen). Hinzu kommen ggfs. Kostensteigerungen, wenn man die Anforderungen eines inklusiv ausgerichteten Bauens (und Renovierens) umsetzen will. Hier lohnt sich jedes Nachdenken, vgl. nur als ein Beispiel das Interview mit Lamia Messari-Becker: „Fehler der Gegenwart korrigieren“. Sie ist Expertin für nachhaltiges Bauen und wird befragt, wie sich nachhaltiges Bauen mit bezahlbarem Wohnen vereinbaren lässt. Viele gute Hinweise, aber zahlreiche Fragen bleiben offen.

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