Scholz soll Kita-Krise zur Chefsache machen

Scholz soll Kita-Krise zur Chefsache machen

In einem Brief an den Bundeskanzler appellieren Dietmar Bartsch und Heidi Reichinnek an Olaf Scholz, „die KiTa-Krise zur Chefsache zu erklären. Das bedeutet: kurzfristig dringend benötigte finanzielle Mittel bereitzustellen und einen KiTa-Gipfel einzuberufen, bei dem alle relevanten Akteure an einem Tisch sitzen. Gemeinsam müssen Lösungen entwickelt werden für den zügigen Ausbau von Plätzen, die Ausbildung und Reintegration von Fachkräften sowie die Sicherung von Qualitätsstandards.“ Außerdem hievt die Linksfraktion die Kita-Krise in dieser Woche mit einem eigenen Antrag auf die Tagesordnung des Bundestages. Hier der vollständige Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,

der Herbst hat begonnen und damit die Zeit, die inzwischen bei Eltern und Kita-Fachkräften für Panik sorgt. Jeden Morgen der Blick aufs Handy und die Frage, ob sich Kolleg:innen krank melden. Bei den Eltern die gleiche Routine: Kann ich mein Kind heute in die Kita bringen, gibt es Notbetreuung, verkürzte Öffnungszeiten oder bleibt die Kita gleich ganz zu? In anderen Worten – kann ich meinem Alltag nachgehen oder geht mal wieder die Organisations-Maschinerie los. Abstimmung mit Partner oder Partnerin, wer heute wann wichtige Termine hat, der Anruf auf der Arbeit, dass man heute nur im Home Office arbeiten kann und außerdem nur mit reduzierter Stundenzahl. Und vielleicht können Sie sich vorstellen, wie Menschen sich in einem solchen Moment fühlen, wenn sie erstens alleinerziehend sind und zweitens, wie auf die allermeisten Menschen in Deutschland zutrifft, keine Arbeit haben, die sich im Home Office ausführen lässt.

Das System KiTa steht am Abgrund und jede Erkältungswelle könnte der Stoß sein, der es über die Klippe springen lässt: eine groteske Unterfinanzierung trifft auf eine maximale Überlastung des Personals. Immer mehr KiTas müssen ihre Türen schließen. Obwohl sich die öffentlichen Gesamtkosten für die Kindertagesbetreuung in den letzten 10 Jahren von unter 25 auf über 50 Milliarden Euro mehr als verdoppelt haben, stagniert der Anteil des Bundes an diesen Kosten bei lediglich 2-3 Milliarden Euro.

Vor diesem Hintergrund haben wir begründete Befürchtungen: Ein weiteres Abschieben der Verantwortung auf die Länder gefährdet kurzfristig nicht nur die Versorgung unserer Jüngsten, sondern auch die psychische und physische Gesundheit der engagierten Fachkräfte. Mittelfristig droht, wie eingangs dargestellt, der Wirtschaft unseres Landes eine ernsthafte Krise.

Mit jeder geschlossenen KiTa, auch wenn nur temporär, werden Familien und insbesondere Alleinerziehende an und über ihre Belastungsgrenzen gedrängt. Ein weiteres Zögern bei der Umsetzung von Maßnahmen käme einem vorhersehbaren Ripple- Effekt gleich, der weitreichende Konsequenzen hätte.

Wir appellieren an Sie, Herr Bundeskanzler, die KiTa-Krise endlich zur Chefsache zu erklären. Das bedeutet: kurzfristig dringend benötigte finanzielle Mittel bereitzustellen und einen KiTa-Gipfel einzuberufen, bei dem alle relevanten Akteure an einem Tisch sitzen. Gemeinsam müssen Lösungen entwickelt werden für den zügigen Ausbau von Plätzen, die Ausbildung und Reintegration von Fachkräften sowie die Sicherung von Qualitätsstandards.

Einen entsprechenden Antrag werden wir in dieser Sitzungswoche in das Plenum des Deutschen Bundestages einbringen. Da zu erwarten ist, dass die Koalitionsfraktionen diesen Antrag ablehnen werden, appellieren wir an Sie, eigeninitiativ zu handeln – für die Fachkräfte, für die Eltern und vor allem für die Zukunft unserer Kinder.

Mit kollegialen Grüßen
Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender
Heidi Reichinnek, kinder- und jugendpolitische Sprecherin

 

 

„Das System Kita steht am Abgrund“: Linke appelliert mit Brief an Kanzler und fordert Gipfel

Stand: 06.11.2023, 20:08 Uhr

Von: Jakob Maurer Frankfurter Rundschau

Immer öfter bleiben Kindertagesstätten zeitweise zu. Das belastet Familien und Angestellte. Die Linke fordert Bundeskanzler Scholz nun auf, die Kita-Krise „zur Chefsache zu erklären“.

Die Linke im Bundestag fordert von der Bundesregierung mehr Einsatz für die vielerorts überlastete Kinderbetreuung. Ein Brief aus der Fraktion, der der Frankfurter Rundschau vorliegt, appelliert jetzt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), „die Kita-Krise endlich zur Chefsache zu erklären“. Es brauche einen Gipfel, um den Ausbau von Plätzen, die Ausbildung und Reintegration von Fachkräften auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus verlangen die Abgeordneten vom Kanzler, „kurzfristig dringend benötigte finanzielle Mittel bereitzustellen“, heißt es im Schreiben vom Montag, das von Fraktionschef Dietmar Bartsch und der kinder- und jugendpolitischen Sprecherin Heidi Reichinnek gezeichnet ist.

Die Linke kritisiert den Bund auch für eine fehlende Finanzierung. Der Anteil an den öffentlichen Kosten – 50 Milliarden Euro – stagniere seit Jahren „bei lediglich 2 – 3 Milliarden“. Das gehe zu Ungunsten der Länder.

Warnung vor „weitreichenden Konsequenzen“

Im Brief wird vor „weitreichenden Konsequenzen“ auf individueller Ebene, „insbesondere“ für Alleinerziehende, gewarnt, aber auch für die deutsche Wirtschaft.

Anlass ist der Anbruch der kalten Jahreszeit: „Das System Kita steht am Abgrund und jede Erkältungswelle könnte der Stoß sein, der es über die Klippe springen lässt“, heißt es weiter im Brief.

Winter sorgt laut Linker „bei Eltern und Kita-Fachkräften für Panik“

Im Sommer hatte eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt, wie sehr sich häufende Betreuungsaufälle Familien belasten. Laut der repräsentativen Befragung glichen Eltern den Betreuungsausfall größtenteils selbst aus, etwa indem sie Überstunden abbauten oder Urlaub nahmen. Im Herbst und Winter – der Zeit, die laut Linkspartei „bei Eltern und Kita-Fachkräften für Panik sorgt“ – ist mit noch größeren Belastungen zu rechnen.

Die Linkspartei will ihre Forderungen per Antrag in den Bundestag einbringen. Da jedoch nicht mit Unterstützung gerechnet wird, gehen die Abgeordneten bereits jetzt mit dem Brief an die Öffentlichkeit.

 

M.Birkwald;MdB,Linke:

In der letzten November-Woche werden in meiner Heimatstadt Köln Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kitas sowie der Offenen Ganztagseinrichtungen und der Beratungsstellen, Jugendbüros, Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Fachdienste für Integration streiken, weil ihnen finanziell das Wasser bis zum Halse steht. Die Einrichtungen, ebenso wie die Betroffenen, verdienen unsere Solidarität, die herrschende Politik hingegen deutliche Kritik. Unsere Gesellschaft bekennt sich zumindest rhetorisch lautstark zur Geschlechtergerechtigkeit sowie zur bestmöglichen Bildung für alle Kinder. Mir ist schleierhaft, wie man vor diesem Hintergrund sowie im Lichte des Fachkräftemangels, wenn doch alle fähigen Köpfe und Hände benötigt werden, die Finanzierung sowie die personelle und materielle Ausstattung der Kitas und sozialen Einrichtungen so vernachlässigen kann. Dr. Dietmar Bartschs und Heidi Reichinneks Brief an Bundeskanzler Scholz ist unbedingt zuzustimmen: „Mit jeder geschlossenen KiTa, auch wenn nur temporär, werden Familien und insbesondere Alleinerziehende an und über ihre Belastungsgrenzen gedrängt.“

 

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